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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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mir nichts anderes übrig.«
    In
ihren Augen lag Panik. »Jochen ist das einzige, was mir geblieben ist. Der
einzige Mensch, für den ich lebe.« Ihre Stimme wurde zum Flüstern. »Für meinen
Sohn würde ich alles tun. Auch einen Mord gestehen, den ich nicht begangen
habe.«
    Es
fehlte nicht viel, und er hätte ihr geglaubt.
    »Gibt
es im Haus eine Schreibmaschine?« fragte Heiner die Mamsell, die ihn nach unten
begleitete.
    »Warum?«
fragte sie mißtrauisch.
    Er
drückte ihr fünfzig Pfennige in die Hand.
    »Nun
... Lassen Sie mich überlegen.«
    Eine
weitere Münze wechselte den Besitzer.
    »Im
Büro von Signora Runa steht eine. Was wollen Sie damit?«
    »Einen
Satz darauf schreiben, Gnädigste.«
    Sie lächelte.
»Wenn's nicht mehr ist.« Sie führte ihn in ein dunkles Zimmer und zündete eine
Kerze an. Verwirrt sah sie sich um. »Das verstehe ich nicht... Die Maschine
stand immer dort auf dem Tisch!«
    »Wann
haben Sie sie zuletzt gesehen?«
    »Ich
weiß nicht.« Sie wurde nervös. »Bitte kommen Sie. Wenn die Signora uns sieht
    Sie
gingen hinaus. Auf der anderen Seite schloß Zilly leise die Tür. Ihr Gesicht
war bleich. Kurz darauf verließ sie das Haus durch den Torbogen an der
Kronprinzenstraße.
    »Nein!«
sagte Cornelia von Tennitz.
    »Sie
sagt aber, es sei sehr wichtig«, wandte das Mädchen ein.
    »Was
wichtig ist und was nicht, entscheide ich.« Die Gräfin schrieb etwas auf ein
Blatt Papier und steckte es in einen Umschlag. »Geben Sie ihr das.« Das
Mädchen verbeugte sich und ging zurück in die Halle.
    »Was
hat sie gesagt?« fragte Zilly.
    »Es tut
mir leid. Gräfin von Tennitz lehnt es ab, Sie zu empfangen.«
    Sie gab
ihr das Schreiben. Zilly las und nickte stumm.
    Die
Polizei ist eben in den häufig vorkommenden, aber groben Irrtum verfallen, das
Ungewöhnliche mit dem Unerforschlichen zu verwechseln. Indessen bin ich der
Ansicht...
    Martin
Heynel riß Paul Heusohn das Buch weg. »Du bist nicht zum Vergnügen hier!«
    »Bitte,
entschuldige... Ich meine: Verzeihen Sie, Herr Oberwachtmeister.«
    »Was
stehst du wie ein Ölgötze herum? Bring mir gefälligst einen Kaffee! Und danach
sortierst du die Unterlagen auf meinem Schreibtisch ein!«
    »Ja,
Herr Oberwachtmeister. Dürfte ich das Buch zurückhaben? Es ist ausgeliehen.
Bitte.«
    »Zwischen
Klugheit und analytischer Fähigkeit besteht aber ein Unterschied, der größer
ist als der zwischen Phantasie und Einbildungskraft. Was für ein ausgemachter Schwachsinn!« Martin Heynel schlug das
Buch zu und schloß es in seinem Schreibtisch ein. »Wenn du dich die nächsten
vier Wochen ordentlich benimmst, können wir vielleicht über eine Rückgabe
reden, Heusohn.« Als er das entsetzte Gesicht des Jungen sah, lachte er.
    Laura
Rothe spannte gerade ein neues Blatt Papier in die Maschine, als Paul Heusohn
hereinkam. Er erzählte, was in Heynes Büro vorgefallen war. »Da Sie mit Herrn
Heynel gearbeitet haben, wollte ich Sie fragen...»
    »Es tut
mir leid, Paul. Ich kann nicht mit ihm sprechen.«
    »Bitte.
Es wäre sehr wichtig!«
    »Was
ist wichtig?« fragte Beck von der Tür.
    »Herr
Heynel hat Herrn Heusohn ein Buch weggenommen«, sagte Laura.
    »Und
warum hat er es weggenommen?« wollte Beck wissen.
    Paul
wurde rot. »Weil ich darin gelesen habe. Aber ich werde es bestimmt nicht
wieder tun!«
    »Ich schließe
aus Ihrer Bemerkung, daß es sich um keine dienstliche Lektüre handelt.« Er ging
hinaus. Keine zwei Minuten später kam er mit dem Buch zurück. »Von wem haben
Sie das?« fragte er streng. Als der Junge schwieg, schlug er die erste Seite
auf. »Für Fräulein Victoria Könitz in Erinnerung. R. Biddling, 1882. Was
wird hier gespielt, Heusohn?«
    Paul
streckte die Hand nach dem Buch aus. »Bitte. Ich verspreche ...«
    »Nein.
Ich bringe es selbst zurück.«
    Es war
schon spät, als Martin Heynel Paul Feierabend machen ließ. Er war müde, und
eigentlich hätte er nach Hause gehen müssen. Aber er konnte nicht. Von seinem
letzten Geld löste er eine Trambahnkarte in die Sandhofstraße. Er ging am
Städtischen Krankenhaus vorbei und folgte der Forsthausstraße. Von hier aus
gab es keinen Pfad, doch wie er vermutet hatte, war es der kürzere Weg. Die
Abendsonne verzog sich bläßlich hinter Schleierwolken, als er die Hütte
erreichte. Er ging darum herum. Auf dem Baumstamm, an dem Kommissar Biddling
gestorben war, saß ein Mann.
    »Herr
Braun!« rief Paul überrascht. »Was machen Sie denn hier?«
    Heiner
lächelte. »Ein bißchen nachdenken. Und

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