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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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Einnahmequelle zu verlieren? Haben Sie deshalb das ganze Theater
inszeniert? Glaubten Sie, Sie könnten einen Mann wie Biddling aufhalten, indem
Sie ihm ein paar Literaturzitate ins Haus schickten?«
    »Was
wollen Sie von mir?«
    »Die
Wahrheit, Zilly. Oder wollen Sie mich auch umbringen?«
    Sie
lachte verächtlich. »Das würde kaum die Mühe lohnen, so weit wie Sie
danebenliegen, Wachtmeister.«
    »Wo ist
die Schreibmaschine?«
    »Welche
Schreibmaschine?«
    »Auf
der Sie die anonymen Briefe geschrieben haben.«
    Sie
fingerte an einem silbernen Zigarettenkästchen. »Es gibt hier keine
Schreibmaschine.« Das Kästchen glitt ihr aus den Händen und schepperte auf den
Boden. Mit den Zigaretten fielen der Einlegeboden und ein Bündel Photographien
heraus. Zilly bückte sich, aber Heiner war schneller. Es waren Aufnahmen eines
Jungen. Offenbar immer der gleiche, aber unterschiedlich alt. Der Qualität
nach zu urteilen, schien der Photograph wenig Fachkenntnis zu haben. Heiner
drehte eins der Bilder um. «Jochen, Sommer 1895. Ihr Sohn, oder?«
    »Geben
Sie her!« forderte Zilly nervös.
    Heiner
zählte siebzehn Bilder, das älteste aus dem Jahr 1887,
    das
neueste von Weihnachten 1903. Es zeigte einen schmucken jungen Mann in Uniform.
Zilly streckte die Hand aus. »Bitte...«
    Heiner
gab ihr die Photographien zurück. »Graf von Tennitz hat Sie und Ihren Jungen in
Hamburg von der Straße geholt, nicht wahr?«
    »Ja«,
sagte sie leise. »Ich hatte kein Geld, nichts. Ich war gezwungen, in einem
dieser schäbigen Etablissements zu arbeiten. Eines Tages kam er. Anfangs
fragte ich mich, warum er sich in ein solches Haus verirrte. Bald merkte ich,
daß es kein Zufall war, daß er genau das liebte: Die Verzweiflung in den Augen
der Frauen. Und den Schmerz. Ich habe nie verstanden, wie jemand beides sein
konnte, König und Knecht. Er war es!« Sie lächelte. »Ich fand schnell heraus,
daß er für mich ein guter Kunde war. Es ist besser, weh zu tun, als weh getan
zu bekommen.«
    »Und
dann stellte er Sie vor die Alternative: Sie gehen mit ihm nach Stuttgart -
ohne Kind, oder Sie verplempern Ihr restliches Leben in einer drittklassigen
Absteige«, folgerte Heiner Braun.
    Sie
nickte. »Gott allein weiß, wie sehr ich litt. Aber Jochen hätte bei mir keine
Zukunft gehabt. Von Tennitz versprach, daß er in einem guten Haus aufwächst,
daß ich als Gesellschafterin seiner Frau in eine gutbezahlte Stellung komme und
außer ihm niemandem mehr zu Diensten sein brauchte. Das einzige, was ich erbat,
war jährlich eine Photographie.«
    »Und
als seine Frau die Wahrheit erfuhr...«
    »...
wurde ich abgefunden und entlassen. Einige Zeit später erkrankte der Graf. Das
heißt, es war abzusehen.«
    »Was?«
    »Syphilis.
Zum Glück habe ich nie etwas tun müssen, das mich einer Ansteckung ausgesetzt
hätte.«
    »Und
seine Frau?«
    Sie
zuckte mit den Schultern. »Die Gräfin war so gutgläubig und naiv, daß es schon
lächerlich war. Sie lebte in einer Welt, in der das wahre Leben nicht
stattfand. Ich ging zurück nach Hamburg. Aber ich konnte Jochen nicht
vergessen.«
    »Es war
also kein Zufall, daß Sie nach Frankfurt kamen. Sie suchten die Frau des
Mannes, der als einziger wußte, wo Ihr Kind war.«
    »Ja.
Wir trafen ein Arrangement: Sie besorgt mir einmal pro Jahr ein Lebenszeichen
von Jochen, und ich halte den Mund über ihren Gatten.«
    »Und
warum dann die anderen Erpressungen?«
    »Ich
erpresse niemanden. Ich bekomme für das, was ich tue, genügend Geld.«
    »Sie
sollten überlegen, was Sie sagen, Zilly. Sie haben bereits die Erpressung von
Gräfin Tennitz zugegeben. Denn nichts anderes ist es, was Sie tun. Was haben
Sie mit Kommissar Biddling...«
    »Er war
wie Lichtenstein.« Sie sah zu Boden. »Ich frage mich, warum das alles geschehen
ist.«
    Heiner
faßte sie am Arm. »Was ist geschehen?«
    »Ich
weiß es doch nicht!«
    »Wie
stehen Sie zu Oberwachtmeister Heynel?«
    »Ich
mag ihn nicht.«
    »Trotzdem
machen Sie mit ihm gemeinsame Sache.«
    »Mit
Heynel? Wie kommen Sie darauf?«
    »Es
gibt gewisse Vorkommnisse in den Haftzellen.«
    »Ach?«
sagte sie höhnisch. »Hat das Fräulein Polizeiassistentin endlich gemerkt, was
gespielt wird?«
    Heiner
ließ sie betroffen los. »Wären Sie bereit, dazu auszusagen?«
    »Glauben
Sie, ich schaufle mir mein eigenes Grab?«
    »Sie
schaufeln sich Ihr Grab, wenn Sie mir nicht die Wahrheit sagen. Ich komme
wieder.«
    »Reden
Sie nicht mit Gräfin Tennitz. Bitte.«
    »Wenn
Sie mich anlügen, bleibt

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