Hahn, Nikola
Zusammenarbeit wenig Sinn.«
Laura
saß am Tisch und las, als Heiner Braun mit einem Teller Waffeln hereinkam. »Sie
haben noch nichts zu Abend gegessen, oder?«
Sie
klappte das Buch zu. »Die riechen ja gut!«
Er
setzte sich zu ihr. »Die schmecken auch gut. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit
mit Ihrem neuen Chef?«
»Er
legt mir stapelweise Berichte hin, die ich abzutippen habe. Wenn er in zehn
Stunden acht Sätze sagt, ist es viel.«
»Besser,
er schweigt, als daß er Sie drangsaliert.« Heiner nahm das Buch. Es war in
graues Leinen gebunden, der Titel weiß eingeprägt. Darunter prangte die
Photographie eines korpulenten Mannes und einer jungen, hübschen Frau. Beide
trugen Staubmäntel, Schals und hohe Schirmmützen. «Eine empfindsame Reise
im Automobil. Von Berlin nach Sorrent und zurück an den Rhein«, las er
amüsiert. »Die beiden schauen eher aus, als ob sie mit Generalfeldmarschall
Waldersee zur Bekämpfung des Boxeraufstandes nach China ausrücken wollten.«
Laura
lachte. Sie zeigte Heiner die Photographie eines Automobils, das einen Gebirgspaß
hinauffuhr. »So sah der Wagen aus, mit dem Herr Biddling abgeholt wurde.«
Heiner
studierte das Bild. »Neun Stück gibt es davon in Frankfurt?«
»Wenn
es stimmt, was Herr Beck ermittelt hat, ja. Bedenkt man, daß das Ergebnis für ihn
längst feststand, hat er sich richtig Mühe gegeben. Aber alle Besitzer haben
ein Alibi. Allein sechs waren beim Gordon-Bennett-Rennen.«
»Der
Tag war geschickt gewählt«, sagte Heiner. »Das Automobil kann sonstwoher
gekommen sein.«
»Oder
es war tatsächlich Herr Hopf. Daß er Frau Biddling und ihre Tochter
ausgerechnet in einem solchen Wagen spazierenfährt, ist doch ein merkwürdiger
Zufall, oder?«
Heiner
zuckte die Schultern. »Es wäre äußerst dumm von ihm. Auf jeden Fall bleibt die
Frage, wer der zweite Mann war.«
»Und
warum sie Kommissar Biddling an den Hinterausgang
der Laterna
Magica bestellten. Womit wir wiederum bei Fräulein Zilly wären. Ich kann
mir gut vorstellen, daß sie diese
anonymen
Briefe geschrieben hat und sie später aus Herrn Biddlings Büro entfernte.«
»Wie
sollte sie das denn angestellt haben? Im übrigen habe ich Zweifel, ob eine
Dirne Sherlock Holmes liest.«
»Sie
liest ja auch Schiller und Goethe.«
»Ts!
Die Namen unserer größten Dichter in einem Atemzug mit einem englischen
Detektiv zu nennen, ist höchst frevelhaft, gnädiges Fräulein.«
Laura
grinste. »Größter Dichter? Sagten Sie nicht, daß das Friedrich Stoltze ist?«
Sie wurde ernst. »Nach den Unterlagen, die Frau Biddling übergeben hat und dem,
was Sie über die verschwundenen Briefe gesagt haben, können wir jedenfalls
ausschließen, daß sie von Martin Heynel stammen. Soweit ich das sehen konnte,
hat er in seiner Wohnung kein einziges Buch stehen, und daß er kein Französisch
spricht, weiß ich ganz bestimmt. Er konnte die Speisekarte bei Gräfin von
Tennitz' Diner nicht lesen.«
»Das
Problem ist, daß mir einfach kein Grund einfallen will, warum Zilly Kommissar
Biddling erpreßt und nach dem Leben getrachtet haben sollte«, sagte Heiner.
»Ich
habe die Vernehmung gelesen, die er mit ihr gemacht hat«, entgegnete Laura.
»Vielleicht wollte sie nicht den Kommissar, sondern jemand anderen erpressen,
und Herr Biddling kam ihr mit seinen Ermittlungen dazwischen.«
»Es
fragt sich nur, mit welchen Ermittlungen. Die ersten Drohschreiben sind drei
Jahre alt.«
»Unter
Umständen gibt es eine Verbindung zwischen Fräulein Zilly und der Familie von
Herrn Biddling, die wir nicht kennen.«
Heiner
sah sie forschend an. »Inwiefern?«
Sie
wich seinem Blick aus. »Ich war heute auf dem Grundbuchamt. Das Haus in der
Elbestraße gehört einem Herrn Schmiedbauer aus München.«
»Vermutlich
ein Strohmann, ja. Und weiter?«
»Nichts
weiter.«
»Fräulein
Rothe! Sie wissen doch etwas.«
Laura
kämpfte mit sich. »Nun... Ich habe Informationen über Zilly und Gräfin von
Tennitz.« Sie holte Henriette Arendts Bericht aus dem Schrank. »Aber bitte:
Ich habe der Gräfin mein Wort gegeben, über ihre Familie zu schweigen.«
Heiner
nickte und las. »Das erklärt allerdings einiges. Vor allem auch diese alte
Sache mit Victorias Cousin. Zilly könnte durchaus über Gräfin Tennitz davon
erfahren haben. Sie hat damals in Frankfurt gelebt und zog kurz nach dem Tod
von Eduard Könitz weg.« Er gab Laura den Brief zurück. »Auf jeden Fall würde es
mich jetzt nicht mehr wundern, wenn in der Laterna eine
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