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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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sagte
Scherenberg. »Ich habe ernsthaft überlegt, ob ich Sie aus dem Urlaub holen
soll.«
    »Ich
dachte, Sie wollten dem Kerl Redeverbot erteilen, Herr Präsident?«
    »Das
habe ich. Ich drohte ihm per schriftlicher Verfügung an, daß er auf der Stelle
als lästiger Ausländer ausgewiesen wird, sollte er einen Ton über die
österreichische Sozialdemokratie sagen.« Scherenberg nahm einen
Zeitungsausschnitt von seinem Schreibtisch. »Und was muß ich anderntags in der
Presse lesen? Die überwachenden Beamten lassen es zu, daß der Versammlungsvorsitzende
mein Schreiben unter dem Gejohle des Saals zum besten gibt! Und als ob das
nicht genügte, legten die Herren Sozialdemokraten unter ihrem Fürsprecher
Quarck noch eins drauf!«
    Er
zitierte aus dem Artikel: »In bürgerlichen Kreisen habe man sich gefreut, daß
man das System Müffling losgeworden sei, und man habe geglaubt, daß der neue
Polizeipräsident eine objektivere Auffassung der Arbeiterdinge bekunden werde.
Leider habe man sich getäuscht. Man sei bei uns an manches gewöhnt, aber gegen
diese Maßregelung müsse man doch mit aller Energie protestieren.«
    Er warf
den Zeitungsausschnitt auf seinen Schreibtisch und gab Franck eine Depesche.
»Da können Sie schwarz auf weiß lesen, wie die Verhöhnung unserer staatlichen
Autorität bei den Herren im Ministerium angekommen ist! Zumal Pernerstorfer
durchaus geredet hat, wenngleich so um den Brei, daß unsere Beamten sich nicht
veranlaßt sahen, einzuschreiten. Ich verlange, daß Sie beim nächsten Mal
fähigere Leute abstellen!«
    »Jawohl,
Herr Präsident.«
    Scherenberg
setzte sich. »Am 28. August, zehn Uhr morgens, wird Pernerstorfer im Saalbau in
Offenbach reden. Die Presse feiert schon heftig seinen Auftritt im freien
Hessen. Ich gehe davon aus, daß es nach der Rede zu einem Eklat kommt und man
uns im nachhinein für unsere restriktive Haltung loben wird. Schicken Sie einen
Beobachter hin.«
    Franck
nickte und ging in sein Büro zurück. Der Kaffee war
    kalt.
Mißgelaunt schlug er die Zeitung auf. Er hatte gerade einen Absatz gelesen, als
ihm sein Bürogehilfe mitteilte, daß Polizeiassistentin Rothe und Paul Heusohn
ihn in einer dringenden Angelegenheit zu sprechen wünschten. »Ich habe keine
Zeit! Sie sollen morgen wiederkommen.«
    Keine
Minute später kam die Polizeiassistentin herein und legte ihm einen Bericht auf
den Schreibtisch. »Bitte verzeihen Sie meine Eigenmächtigkeit, Herr Franck.
Aber die Sache ist wirklich wichtig.«
    »Worum
geht es?« fragte er ungehalten.
    »Um den
Tod von Kommissar Biddling. Wie es aussieht, fiel er einem Mord zum Opfer.«
    Am
Nachmittag bestellte Polizeirat Franck die Polizeiassistentin, Paul Heusohn
und Kommissar Beck in sein Büro. Obwohl er gut zu Mittag gegessen hatte, war
seine Laune nicht besser geworden. »Wollten Sie mich deshalb morgen sprechen?«
fragte er Beck und hielt Paul Heusohns Bericht hoch.
    Beck
sah ihn überrascht an. »Was, bitte, ist das?«
    »Sie
wollen mir doch nicht erzählen, daß Sie von alldem keine Ahnung haben?«
    »Bitte
verzeihen Sie, Herr Polizeirat. Ich habe die Ermittlungen ohne Wissen von
Herrn Beck vorgenommen«, gestand Paul Heusohn ein.
    »Was
haben Sie sich dabei gedacht, verdammt noch mal!« rief Beck.
    »Wenn
Sie Biddlings Brief hätten untersuchen lassen, wäre das Mißgeschick nicht
passiert!« sagte Franck. »Und daß Ihre Beamten offenbar so dußlig waren, mit
blutigen Fingern diesen Stein zu betatschen, macht die Sache nicht besser. Ich
hoffe nur nicht, daß Sie es am Ende selber waren.«
    »Welchen
Stein?« fragte Beck tonlos.
    »Lesen
Sie die Ausführungen Ihres eifrigen Mitarbeiters, und Sie wissen, was ich
meine.«
    Paul
Heusohn wollte etwas sagen, aber Franck winkte ab. »Woher hatten Sie meine
Fingerabdrücke?«
    »Von
einem Schriftstück, von dem ich wußte, daß Sie es angefaßt hatten, Herr Polizeirat.
Es mag nicht richtig sein, was ich getan habe. Aber hätte ich es nicht getan,
könnten wir nicht beweisen...«
    »Was
denn beweisen?« sagte Franck. »Daß Biddling sich zwei Tage vor seinem
Selbstmord von Oberwachtmeister Heynel einen Briefumschlag geliehen hat?
Danke. Sie können gehen. Sie auch, Fräulein Rothe!«
    Als sie
aus dem Zimmer waren, meinte Franck jovial: »Das war kein Ruhmesblatt für Sie,
Beck. Aber wenn Sie mir einen ordentlichen Abschlußbericht vorlegen, werde ich
noch mal darüber hinwegsehen.« Er gab ihm Pauls Schreiben und einen
handschriftlich verfaßten Vermerk. »Die Dienstliche

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