Hahn, Nikola
Kaffee ein. »Ich habe heute deine
Mutter besucht«, wandte er sich an Paul. »Sie hat etwas erwähnt, das mich
veranlaßte, Lotte Heynel ebenfalls einen Besuch abzustatten.« Er berichtete,
was er von Martin Heynes Schwester erfahren hatte.
Paul
vergaß vor Erstaunen, zu kauen. »Fritz war an diesem Abend auch bei Lotte? Und
Martin hat ihn rausgeworfen? Aber das hieße ja...«
»...daß
nicht du, sondern tatsächlich er ihn zuletzt lebend gesehen hat«,
vervollständigte Heiner. »Und er hatte mindestens den gleichen Grund, auf ihn
wütend zu sein wie du: Nachdem Fritz bei deiner Schwester nicht zum Zug kam,
versuchte er es bei Lottes Töchterchen. Sie sagte, ihr Bruder habe Wennecke die
Kehle zugedrückt, daß sie Angst hatte, er bringe ihn um.«
»Warum
hat Lotte Fritz überhaupt in ihre Wohnung gelassen?« fragte Paul.
»Er
hatte eine Verabredung mit Martin«, sagte Heiner. »Die beiden haben sich hin und
wieder bei Lotte getroffen, wenn ihr Mann Nachtschicht hatte. Lotte mußte
während der Besprechungen mit den Kindern in die Küche gehen.«
»Was
könnten die beiden denn Wichtiges beredet haben, daß es niemand hören durfte?«
fragte Paul.
Heiner
fing Victorias erschrockenen Blick auf und schüttelte unmerklich den Kopf. »Von
einem Informanten habe ich erfahren, daß Fritz Kontakt zu Offenbacher
Kinderhändlern hatte.«
Er sah
Laura an. »Die konspirativen Treffen in Lottes Wohnung und Ihre Beobachtung in
der Kornblumengasse lassen vermuten, daß Martin Heynel und Fritz Wennecke
dieses schmutzige Geschäft gemeinsam betrieben haben.«
»Eine
ziemlich vage Vermutung«, gab Victoria zu bedenken. »Die uns zudem nicht das
geringste nützt, solange wir keinen Beweis haben.«
Laura
trank einen Schluck. »Vielleicht gelingt es uns, irgendeine Verbindung
zwischen der Geldzahlung an Comoretto, den Anzeigen und Fritz Wennecke
herzustellen?«
»Fritz
war sicher nicht derjenige, der in dieser Sache die Fäden gezogen hat«, sagte
Paul und unterdrückte ein Gähnen. »So helle war er nicht.«
Heiner
Braun lächelte. »Da hast du recht, Junge. Wenn die Gerüchte stimmen, handelt es
sich bei der Offenbacher Kontaktadresse um ein Haus, in dem wohlhabende
Frauen, ohne schwanger zu sein, Nachwuchs bekommen. Das ist eine Angelegenheit,
die nicht nur sorgfältigste Planung, sondern auch äußerste Diskretion
verlangt. Selbst wenn wir das Haus fänden, würden wir vermutlich nichts
erfahren, außer, daß dort werdende Mütter bis zur Niederkunft beste Pflege
erhalten.«
»Auf
was wollen Sie hinaus?« fragte Victoria.
»Martin
Heynel fehlt das soziale Umfeld für ein solches Unternehmen. Der oder die
Drahtzieher müssen über gute Kontakte zur sogenannten besseren Gesellschaft
verfügen, insbesondere zur weiblichen Hälfte.«
»Karl
Hopf sagte mir, daß die Frankfurter Damenwelt verrückt ist nach seinen
Chin-Hunden«, sagte Victoria. »Außerdem hat er sich in auffälliger Weise nach
dem Fall Wennecke erkundigt. Allerdings ist er zur Zeit in London.«
»Daß
Ihr Mann am Hinterausgang der Laterna Magica abgeholt wurde, spricht
für Zilly«, sagte Laura. »Sicher haben viele ihrer Kunden keine Scheu, über
private Kümmernisse zu sprechen. Außerdem dürfen Sie nicht vergessen, daß
Entscheidungen ja nicht von den Frauen, sondern von ihren Ehemännern getroffen
werden.«
Victoria
lächelte. »Die Wahrscheinlichkeit, daß eine Frau ihrem Mann eine
Schwangerschaft vorspielt und das Sofakissen während eines Kuraufenthaltes
durch ein gekauftes Kind ersetzt, halte ich für größer, als daß sich ein Mann
darauf einläßt, einen Erben Ungewisser Herkunft zu akzeptieren.«
»Vielleicht
haben Sie beide recht«, sagte Paul. »Herr Hopf ist der Kopf der Bande, und
seine Informationen bezieht er entweder beim Verkauf der Hunde oder über
Fräulein Zilly. Martin ist sein Verbindungsmann zu Leuten wie Fritz und diesem
Italiener und vielleicht noch zu anderen, die die Drecksarbeit machen. Und Herr
Biddling ist ihnen irgendwie auf die Schliche gekommen.«
»Deine
Überlegung klingt plausibel«, stimmte Heiner zu. »Mich stört nur, daß Kommissar
Biddling keine Andeutung in diese Richtung gemacht hat. Er hat mir regelmäßig
über seine Ermittlungen berichtet, und es gibt keinen Grund, warum er
ausgerechnet so etwas nicht erzählt haben sollte.« Er sah Victorias Gesicht
und ersparte sich weitere Ausführungen.
»Hat
Ihr Informant denn keine Namen genannt?« fragte Laura.
»Leider
nicht.«
Victoria
sah Heiner an. »Wir
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