Hahn, Nikola
brauchten die Aussage nur einer einzigen betroffenen Frau.«
»Vielleicht
helfen uns die Anzeigen aus dem Stinkturm weiter?« sagte Paul Heusohn. Er
hatte Mühe, die Augen aufzuhalten.
»Du
solltest schlafen gehen, hm?« sagte Heiner. Der Junge nickte und verabschiedete
sich.
»Was hat
Frau Heusohn gesagt?« fragte Victoria, als er gegangen war.
»Daß
Wennecke Annika öfter irgendwelche Schauermärchen erzählt hat.«
»Und
das glauben Sie ihr?« fragte Laura.
Heiner
fuhr sich übers Gesicht. »Ja.«
Mitten
in der Nacht wurde Laura wach. Sie hatte Durst und mußte austreten. In der
Küche brannte Licht. Heiner Braun saß am Tisch, vor sich ein leeres
Apfelweinglas. Laura sah, daß er
betrunken
war. Sie prüfte die Glut im Ofen und setzte Wasser auf. »Ein Kaffee könnte uns nicht
schaden, oder?«
Er
lächelte. »Das letzte Mal, als Sie nächtens aufkreuzten, hatten Sie gerade die
Libysche Wüste durchquert.«
»Verraten
Sie mir, was das rote Käthchen wirklich gesagt hat?«
Heiner
stützte seinen Kopf in die Hände. »Ihr geht es nicht gut, wissen Sie.«
Laura
setzte sich zu ihm. »Sie hatten Angst, daß Sie von ihr Dinge erfahren, die Sie
gar nicht erfahren wollten, nicht wahr? Deshalb haben Sie das Gespräch so lange
hinausgezögert.«
Er
suchte Halt am Tisch. »Bitte verzeihen Sie. Ich muß ins Bett.«
Sie
streichelte seine Hand. »Alles in sich hineinzufressen, hält auf die Dauer kein
Mensch aus. Nicht einmal Sie, Herr Braun.«
»Ich
habe Victoria gesagt, daß ich alles tue, den Mord an ihrem Mann aufzuklären«,
sagte er müde. »Und Käthe... Ich habe zwei Versprechen gegeben, obwohl ich nur
eins halten kann.«
»Hilft
es, wenn ich Ihnen das Versprechen gebe, ganz bestimmt zu schweigen?«
»Der
Verdacht gegen Martin ist also tatsächlich mehr als eine Vermutung«, sagte sie,
als er geendet hatte.
»Es tut
mir leid für Sie, Laura.«
»Ach
was. Die Sache ist ausgestanden. Sehen Sie denn gar keine Möglichkeit, Käthe
Heusohn zu einer offiziellen Aussage zu bewegen?«
Er
schüttelte den Kopf. »Wenn sie aussagt, muß Paul gehen. Ganz abgesehen davon,
daß es für den Jungen eine Katastrophe wäre, wenn er die Wahrheit wüßte.«
Laura
schlug auf den Tisch. »Verflixt noch mal! Es muß doch möglich sein, einen
einzigen Menschen aufzutreiben, der Mut genug hat, diesen Verbrechern die Stirn
zu bieten!«
»Das
Problem ist, daß diese Geschäfte, solange sie diskret abgewickelt werden,
allen Beteiligten zum Vorteil gereichen«, sagte Heiner. »Die eine Frau ist ihr
ungewolltes Kind los, die andere kann ihrem Mann den ersehnten Erben
präsentieren, Vermittler und Arzt reiben sich angesichts des leichtverdienten
Zubrots die Hände.«
»Nur an
die Kinder denkt keiner.«
»Wobei
es für Käthes Sohn vermutlich gut ausging. Aber ich bin sicher, daß Wennecke
auch Vermittlungen tätigte, die für die Kinder weniger erfreulich verliefen.
Ganz abgesehen davon, was er mit ihnen sonst noch angestellt haben mag.«
Laura
nickte. »Bitte glauben Sie nicht, daß ich aus Sentimentalität für Martin eine
Lanze brechen will. Aber könnte es nicht sein, daß das der Grund war, warum er
Fritz Wennecke loswerden wollte? Wir hatten einen Fall, in dem ein Mann sich
an einem jungen Mädchen vergriff. Martin regte sich maßlos darüber auf, und
von Ihrer Frau weiß ich, wie sehr er sich um seine kleine Schwester gekümmert
hat. Andererseits braucht er eine Menge Geld für das Leben, das er führt. Es
würde mich nicht wundern, wenn er sich diese Vermittlungen schöngeredet hat.
Und als er herausfand, wes Geistes Kind Fritz Wennecke wirklich ist, hat er ihn
aus dem Weg geräumt.«
»Unwahrscheinlich
ist das nicht«, sagte Heiner. »Aber wie bei jeder Theorie, die wir bislang
aufgestellt haben, läßt auch diese einige Fragen unbeantwortet. Die wichtigste
ist, wie er in die Fabrik hineingekommen ist.«
Laura
trank ihren Kaffee aus. »Auf jeden Fall werde ich diese Mißstände öffentlich
machen. Morgen treffe ich mich mit Henriette Fürth in der Centrale für private
Fürsorge.« Sie lächelte. »Außerdem werde ich Paul am Montag in die Höhle des
Löwen Franck begleiten. Und jetzt sollten wir schlafen gehen.«
Polizeirat
Franck wollte seinen ersten Arbeitstag mit den Nachrichten vom Tage und einer
Tasse Kaffee beginnen, aber er hatte die
Zeitung nicht mal aufgeschlagen, als er zu Polizeipräsident Scherenberg
beordert wurde.
»Wir
sind in der Sache Pernerstorfer aufgefordert, nach Berlin zu berichten«,
Weitere Kostenlose Bücher