Hahn, Nikola
unermüdlichen Einsatzes von
Oberwachtmeister Heynel ist Polizeirat Franck nicht der einzige, der glaubt, er
sei es noch immer.«
»Das
spricht für Herrn Heynel, oder?«
»Das
ist der Grund, warum er es tut.« Richard sah Lauras fragenden Blick, aber er
hatte keine Lust, ihr die Eigenheiten des Oberwachtmeisters
auseinanderzusetzen. »Ist Ihnen bei Ihren Studien zufällig eine Akte über eine
Frau namens Runa untergekommen?«
Laura
schüttelte den Kopf. »Allerdings bin ich nur bis zum zweiten Schrank
vorgedrungen, so daß sich die Dame durchaus im dritten oder vierten verstecken
kann. Um auf Ihr Angebot zurückzukommen: Wofür brauchen Sie denn die Information?«
»Die
Wirtin der Laterna Magica heißt Signora Runa, und wenn ich mich nicht
sehr täusche, hat sie mir vorhin durch die Blume zu verstehen gegeben, daß ihr
die Richtung meiner Ermittlungen nicht paßt.«
Laura
öffnete die beiden verbliebenen Aktenschränke und fing an, den Inhalt
durchzusehen. »Ich schlage vor, Sie werfen einen Blick in die Kartei mit den
Photographien, Herr Kommissar. Möglicherweise hat sie einen falschen Namen
angegeben.«
»Bedauerlicherweise
hat die Signora das Licht gelöscht, bevor sie mich empfing.«
Laura
sah ihn nachdenklich an. »Laterna Magica? Signora Runa? Das ist
doch kein Zufall!«
»Bitte?«
»Magicus und Run bedeuten dasselbe: Magie, Zauber,
Geheimnis. Eine magische Laterne, eine geheimnisvolle Frau.«
»Das
paßt ins Bild«, sagte Richard. »Sie orakelte, daß das Geheimnis den
Glücklichen gehören und das Unglück keinen Schleier brauchen würde, oder etwas
in der Art.«
»Das
Geheimnis ist für die Glücklichen; das Unglück braucht, das hoffnungslose,
keinen Schleier mehr. Frei unter tausend Sonnen kann es handeln. War es vielleicht das?«
»Ja.«
»Eine
Liebesszene aus Wallensteins Tod. Von Friedrich Schiller.«
»Schiller
scheint in diesem Etablissement zur Zwangslektüre zu gehören. Wenn Sie mir
vielleicht auch verraten könnten, was Memento mori bedeutet?«
Laura
starrte ihn an. »Hat sie das etwa zu Ihnen gesagt?«
»Ist
die Übersetzung von solchem Übel, daß Sie sie nicht auszusprechen wagen?«
Sie
schüttelte den Kopf. »Das Memento ist eine Art Mahnruf oder ein Bittgebet in
der katholischen Messe. Das weiß ich aber auch erst seit meiner Konversion. Ich
war nämlich bis vor einigen Jahren Jüdin.«
»Ich
fragte nach Memento mori, Fräulein Rothe.«
»Ich
glaube, es handelt sich um einen Wahlspruch eines Mönchsordens, soweit ich
weiß, der Kamaldulenser. Außerdem war das Memento mori ein beliebtes
Bildmotiv des Barock.«
»Ein
Bildmotiv, soso. Und was wollte mir die geheimnisvolle Signora damit sagen?«
»Kann
es sein, daß Sie ihr irgendwie... zu nahe gekommen sind?«
»Könnten
Sie etwas deutlicher werden?«
»Ich
frage mich, warum Sie sich Ihnen gegenüber nicht zu erkennen gegeben hat.«
»Sie
verheimlichen mir etwas, Fräulein Rothe.«
»Ach was.
Wenn's mal juckt, muß man nicht gleich nach Flöhen suchen.«
Richard
mußte lachen. »Woher haben Sie denn diese Erkenntnis?«
»Von
meinem Vater. Es gab nichts, für das er nicht einen klugen Spruch parat gehabt
hätte. Die meisten davon waren allerdings nicht für meine Ohren bestimmt.« Sie
deutete auf die Aktenschränke. »Lassen Sie uns versuchen, Ihre Signora zu finden.
Vielleicht löst sich das Rätsel dann ganz von selbst.«
Nach
zwei Stunden gaben sie auf. Der Name Runa war nirgends verzeichnet, und ohne
weitere Informationen hatte die Suche keinen Sinn. Richard fuhr sich über die
Augen. »Wissen Sie, wann Fräulein Frick für gewöhnlich zu Hause ist?«
Laura
rieb sich ihren steifen Nacken. »Ich kann Ihnen nur sagen, daß sie heute um
halb sieben frühstücken wollte.«
»Bitte
bestellen Sie Wachtmeister Braun, daß ich morgen vormittag gegen halb neun
vorbeikomme. Ab wann sind Sie im Präsidium?«
»Man
sagte mir, daß ich sonntags nur auf besondere Anordnung zu kommen brauche.
Aber ich bin gerne bereit
»Genießen
Sie Ihren freien Tag. Und danke für Ihre Hilfe.«
»Gern
geschehen, Herr Kommissar«, sagte Laura lächelnd.
Als
Richard nach Hause kam, war es nach Mitternacht. Louise nahm ihm Hut und Mantel
ab. »Schlafen Sie eigentlich nie?« fragte er.
»Sicherlich
mehr als Sie, gnädiger Herr«, sagte die alte Zofe. »Soll ich Ihnen noch irgend
etwas bringen?«
»Wenn
es Ihnen nichts ausmacht, hätte ich gern ein Glas Tee.«
»Sehr
wohl. In Ihr Schlafzimmer?«
»In
Victorias Bibliothek«, sagte
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