Hahn, Nikola
Auskunft.«
»Und
wenn Fräulein Zilly nicht mit Ihnen reden will?«
»Das
möchte ich gerne von ihr selbst hören.«
»Darf
ich Ihnen etwas zu trinken bringen lassen?«
»Ich
bin nicht zum Vergnügen hier, Signora! Entweder geben Sie mir jetzt
Gelegenheit, mit Zilly zu sprechen, oder...»
Ihr
Lachen ließ jeden Wohlklang vermissen. »Oder was, Richard Biddling?«
Richard
war zu verdutzt, um zu antworten. Woher kannte sie seinen Vornamen? Er ging in
die Richtung, aus der das Lachen kam, und wie von Geisterhand öffnete sich eine
Tür, die offenbar in einen Flur führte. Im Lichtschein zeichneten sich die
Silhouetten zweier Männer ab.
»Kommissar
Biddling wünscht eine Unterredung mit Fräulein Zilly. Bringt ihn zu ihr!«
befahl Signora Runa.
Die
Männer nahmen ihn in ihre Mitte.
»Danke
für die Gastfreundschaft, Signora«, sagte er. »Auch wenn ich nicht weiß, wer
sie mir gewährt.«
»Das
Geheimnis ist für die Glücklichen; das Unglück braucht, das hoffnungslose,
keinen Schleier mehr«, entgegnete sie.
»Memento mori, Kommissar.«
Ihre
Worte klangen sanft, fast heiter, und doch hatte Richard das Gefühl, plötzlich
in einem Eiskeller zu stehen.
Das Zimmer
von Othild Cäcilie von Ravenstedt alias Zilly lag in der zweiten Etage oberhalb
der Räumlichkeiten von Signora Runa. Es war dezent beleuchtet und geschmackvoll
eingerichtet. Eine Ecke war mit einem Vorhang abgetrennt; Richard vermutete
dahinter das Bett. Die übrigen Möbel, ein cremefarbenes Sofa mit wirbelförmig
angeordneten Sitzen, Stoffsessel, Beistelltisch, Kommode und eine mit Büchern
gefüllte Etagere, hätten genausogut in einem bürgerlichen Wohnzimmer stehen
können.
»Hatten
Sie etwas anderes erwartet, Kommissar Biddling?« fragte Zilly spöttisch. Sie
trug ein Kleid aus nachtblauem Samt mit einem Dekollete, das dem Ambiente Hohn
sprach.
Er nahm
ihre Hand und deutete einen Kuß an. »Guten Abend, Frau von Ravenstedt. Offenbar
hat sich meine Ankunft schnell herumgesprochen.«
Sie
lächelte. »Fräulein Zilly genügt durchaus, Herr Kommissar. Was kann ich für
Sie tun?«
Ihre
Figur war makellos und ihr Teint so rosig wie bei einem jungen Mädchen. Nur die
Fältchen um Mund und Augen ließen auf ihr wahres Alter schließen. Richards
Blick wanderte zu dem Bücherregal. »Wie gerät eine Frau wie Sie in ein solches
Haus?«
»Ziehen
Sie keine falschen Schlüsse. Meine Lektüre entspricht durchaus meiner
Profession.« Sie
nahm ein Buch heraus. »Cent-vingt journees de Sodome ou L'ecole du
libertinage. Die hundertzwanzig Tage von
Sodom oder die Schule der Ausschweifung. Von Donatien Alphonse Francois
Marquis de Sade. Laut Vorwort die unzüchtigste Erzählung, die jemals geschrieben
wurde.« Sie stellte das Buch zurück und öffnete ein silbernes Kästchen, das
auf der Kommode stand. »Rauchen Sie?«
»Nein.
Aber es stört mich nicht, wenn Sie es tun.«
Sie
steckte eine Zigarette in eine Spitze und zündete sie an. »Meine Profession erlaubt
mir nicht nur ungezügelte Lektüre, sondern auch ungezügelten Genuß. Aber um das
zu erfahren, sind Sie sicher nicht gekommen, habe ich recht?«
»Warum
waren Sie am Montag bei Hermann Lichtenstein?«
»Was
wird eine wie ich von einem gutbürgerlichen Geschäftsmann wohl wollen?«
»Genau
das frage ich Sie.«
Sie zog
an der Zigarette und blies den Rauch zur Decke. »Vielleicht war er mir etwas
schuldig? Oder ich ihm?«
»Lichtenstein
hat Ihre Dienste in Anspruch genommen?«
»Es
kommt darauf an, welche Dienste Sie meinen, Kommissar.«
»Erklären
Sie's mir.«
Sie
zupfte an ihrem Kleid. »Muß ich das wirklich?«
»Ich
bin nicht zum Spaß hier!«
»Schade.«
Sie setzte sich und schlug die Beine übereinander. »Ich habe ihm seinen Ehering
zurückgebracht.«
»Den er
vor dem Akt abgelegt hatte.«
Sie
lachte. »Sie sehen ja richtig enttäuscht aus! Dabei sollten Sie als
Polizeibeamter wissen, daß hinter höchster Wohlanständigkeit oft die tiefsten
Abgründe lauern.«
»Was
haben Sie für die Rückgabe des Rings verlangt?«
»Nichts.«
»Sie
denken hoffentlich nicht, daß ich Ihnen das glaube.«
»Und
warum nicht?«
»Wie
oft war Lichtenstein hier?«
»Einmal.
Und er war ziemlich betrunken. Beruhigt Sie das?«
»Wann?«
»Vergangenen
Samstag.«
»Kam er
allein?«
»Er war
in Begleitung eines Herrn, dessen Name nichts zur Sache tut.«
»Die
Beurteilung, was der Sache dient oder nicht, überlassen Sie bitte mir. Wer war
der Mann?«
»Es tut
mir leid, aber das kann ich nicht
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