HahnBlues | Ein Rhein-Mosel-Krimi
war schwach auf der Brust. Selbst ein beherzter Tritt auf das Gaspedal hätte nicht den gewünschten Effekt gehabt, den Wagen hinter ihm einfach abzuschütteln.
Kaltenbach wurde nervös und drosselte das Tempo. Wie er erwartet hatte, ließ sich auch das folgende Fahrzeug zurückfallen. Spätestens jetzt hätte jeder andere Fahrer ihn überholt. Bei nahezu gleichem Abstand rollte das schwere Fahrzeug hinter dem Polo her. Nach drei Kilometern änderte sich die Situation plötzlich, so plötzlich, dass sich Kaltenbachs Herzfrequenz schlagartig erhöhte. Sein Verfolger beschleunigte nun und schloss zu seinem Polo auf. Kaltenbach hatte völlig verdrängt, wie leistungsstark moderne Geländewagen waren. Ihre Fahrleistungen reichten oft an die einer gut motorisierten Limousine heran.
„Was soll der Scheiß?“, zischte er, als das Gaspedal des alten Polo das Bodenblech berührte. Der kleine Motor dröhnte auf, doch die Tachonadel kroch im Schneckentempo nach oben. Ihm kamen Filmszenen in den Sinn, bei denen kleine Autos einfach von der Straße gerammt wurden. Wenn er dabei auf dem Sofa saß, in Feierabendlaune und bei einem kalten Bier, genoss er solche Rempeleien. Doch dies war kein Film – das war die Wirklichkeit. Und als Kaltenbach bewusst wurde, dass er gegen den großen Wagen, der ihm förmlich am Heck klebte, keine Chance haben würde, bekam er Schweißausbrüche. Sicherlich würde es nur einen einzigen Rempler benötigen, um ihn von der Straße zu rammen. Dann konnte er nicht mehr recherchieren und irgendwelchen Leuten unbequem werden. Im Innern des Polo wurde es plötzlich taghell, als der Hintermann das Fernlicht einschaltete. Kaltenbach blinzelte und erkannte leistungsstarke Zusatzscheinwerfer. Er wartete mit jeder Sekunde auf den alles beendenden Knall, der das Blech des Polo bersten ließ und ihn von der Fahrbahn drängte.
Doch der Ruck, mit dem er von der Straße gefegt werden sollte, blieb aus. Durch das offen stehende Seitenfenster vernahm er nun das tiefe Wummern des hubraumstarken Motors hinter ihm. So plötzlich, wie sein Verfolger den Abstand auf ein Minimum reduziert hatte, scherte der Wagen jetzt nach links aus und setzte zum Überholen an.
Um ein Haar hätte die Stoßstange das Heck des Polo gestreift. Kaltenbach kniff für den Bruchteil einer Sekunde die Augen zusammen, doch dann befand sich sein Verfolger auf gleicher Höhe mit dem Polo. Kaltenbach blickte nach links und erkannte einen amerikanischen Boliden, einen schwarzen Dodge Pick-up mit Zwillingsbereifung an der Hinterachse. Die Seitenscheiben waren abgedunkelt, sodass Kaltenbach nicht erkennen konnte, wie viele Personen sich in dem Fahrzeug befanden. Der Achtzylinder rasselte wie ein Bundeswehrpanzer, dann erhöhte der Fahrer das Tempo und setzte sich vor den Polo. Das Kennzeichen am Heck war stark verschmutzt, die Beleuchtung zudem defekt.
Kaltenbach war sicher, dass der Fahrer das Nummernschild absichtlich unleserlich gemacht hatte. Wer auch immer hinter dem Steuer des Dodge saß – er führte nichts Gutes im Schilde. So blieb Kaltenbach in Alarmbereitschaft. Doch der Fahrer schien sich plötzlich nicht mehr für ihn zu interessieren. Er gab weiter Gas und war schon bald aus Kaltenbachs Sichtfeld verschwunden.
Roßbach, Wied, 23.05 Uhr
Obwohl er nicht damit gerechnet hatte, erreichte er Roßbach anderthalb Stunden später völlig unbehelligt. Kaltenbach atmete erleichtert auf, als der Wagen durch das verschlafen daliegende Dorf rollte. Der Duft nach Dung drang an seine viel zu große Nase, und Kaltenbach schaltete das Gebläse aus und verschloss die Seitenscheibe. In wenigen Fenstern brannte noch Licht, und als Kaltenbach den Polo auf den kleinen Platz vor seinem Bauernhaus lenkte, war er froh, dass hier keine böse Überraschung auf ihn wartete. Eine böse Überraschung konnte er heute wirklich nicht mehr gebrauchen.
Von der unbequemen Sitzhaltung in dem kleinen Auto und der langen Fahrt waren seine Knochen steif, als er sich aus dem Polo schälte. Solche Blechkisten waren einfach nichts für ihn, dachte er, während er sich reckte. Mit dem Gefühl, einen langen und harten Arbeitstag in teils unerträglicher Hitze gut überstanden zu haben, trat er breitbeinig wie ein Cowboy nach einem langen Ritt auf das windschiefe Fachwerkhaus zu. Umständlich und müde fummelte er den Schlüssel in die Tür. Im Rahmen verharrte er. Irgendetwas war heute anders als sonst, doch Kaltenbach kam nicht darauf, was ihn störte. Er blieb im
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