HahnBlues | Ein Rhein-Mosel-Krimi
Schinken und Bier her.
Während er sich seinem beinahe feudalen Abendessen widmete, dachte er über seinen Trip an die Mosel nach. Der Computer war einsatzbereit, und so gab er kauend die Begriffe Flughafen Hahn und Ahringsbach in eine Suchmaschine ein. Sekunden später konnte er aus den angebotenen Beiträgen auswählen. Kauend las er die Einträge und glaubte zum ersten Mal, dass am Flughafen im Hunsrück mehr Blut klebte, als man in der Region wahrhaben wollte.
Ein Name stach ihm in den Vorschlägen, die von der Suchmaschine ausgespuckt wurden, ins Auge: Sabine Wellershoff. Sie war die Tochter eines wohlhabenden Keramikherstellers aus dem Westerwald; und als man ihren Vater vor vielen Jahren ermordet hatte, war Kaltenbach maßgeblich daran beteiligt gewesen, seinen Mörder zu finden. Doch es hatte ihn noch mehr mit Sabine Wellershoff verbunden – die beiden hatten eine kurze, aber heftige Affäre gehabt. Irgendwann hatten sie sich jedoch aus den Augen verloren, und so wunderte er sich, dass ihr Name ausgerechnet mit dem Hahn in Verbindung gebracht wurde. Wie Kaltenbach ein paar Mausklicks weiter in Erfahrung gebracht hatte, war Sabine inzwischen eine Privatdetektivin geworden.
„Na“, brummte er kopfschüttelnd. „Da hat wohl jemand das Erbe ausgeschlagen und sich für ein eigenes Leben entschieden.“ Er hätte schwören können, dass Sabine Wellershoff längst den elterlichen Betrieb übernommen hatte und ein gutes Leben in Breitscheid führte. Weit gefehlt, dachte er und notierte sich die Anschrift ihres Büros in Koblenz.
Als hinter ihm eine Diele knarrte, zuckte er zusammen. Mit vollem Mund hielt er den Atem an und lauschte in die Leere des Hauses. Kaltenbach wagte nicht, sich umzudrehen, da sein Stuhl quietschte. Schon längst hatte er das Ding ölen wollen, doch der gute Vorsatz allein nutzte ihm in diesem Augenblick nichts, und so blieb er wie angewurzelt sitzen. Seine Hände lagen auf den Armlehnen des Stuhls.
Jetzt wurden in seinem Rücken Schritte laut. Wer auch immer ihn besuchte, er machte keinen Hehl mehr daraus, sich in Kaltenbachs Haus zu befinden. Der Schreibtisch, ein altes Erbstück seines Vaters, stand unter dem Fenster. Tagsüber konnte Kaltenbach während der Arbeit den Blick in die Ferne schweifen lassen. Sattes Grün, weite Wiesen und sanfte Hügel wuchsen zu einer inspirierenden Idylle zusammen, die er über alles liebte. Doch jetzt verfluchte er den Umstand, dass sich die Zimmertür in seinem Rücken befand.
„So, und jetzt die Hände hoch und keine Fisimatenten“, ertönte im nächsten Moment eine Stimme gleich hinter ihm. „Keine Bewegung, das Spiel ist aus!“ Die Stimme duldete keinen Widerspruch.
Kaltenbach hörte, wie hinter ihm eine Waffe entsichert wurde. Er hob beide Hände und wagte nicht, sich umzudrehen. Wo hatte sich der Kerl versteckt? Bei seinem Rundgang durch das Haus hatte er keine Spur gefunden, die auf einen ungebetenen Gast hindeutete.
Dann stahl sich ein Grinsen auf sein kantiges Gesicht. Die Stimme kannte er. Kaltenbach fuhr auf dem Stuhl herum und blickte in das überraschte Gesicht von Udo Reuschenbach. Die Männer waren gemeinsam aufgewachsen und fast wie zwei ungleiche Brüder. Während Kaltenbach noch immer auf der Suche nach der richtigen Frau war, hatte Udo längst seine Larissa geheiratet. Kaltenbach war umtriebig und wie ein einsamer Wolf, während Udo ein Beamter des Landes Rheinland-Pfalz war. Ein Polizeibeamter, um genau zu sein.
Während Kaltenbach ein kühles Bier schätzte, kaute Udo Äpfel. Seitdem er sich das Rauchen mit sechzehn Jahren abgewöhnt hatte, biss er in einen Apfel, wenn er Lust auf eine Zigarette verspürte. Kaltenbach bezeichnete Udo immer als leibhaftigen Apfel, was er meist auf das kreisrunde Gesicht mit den braunen Augen und den üppigen Bauch seines Freundes bezog. Dass alle nur denkbaren elektronischen Artikel im Hause Reuschenbach einen angebissenen Apfel als Markenzeichen auf der Rückseite trugen, verstand sich fast von selbst. Mit seiner Liebe für Äpfel brachte Udo seine Frau oft an den Rand des Wahnsinns – nicht nur, wenn er sich die neueste Errungenschaft des Computergiganten aus dem kalifornischen Cupertino anschaffte und das Konto in die roten Zahlen trieb, sondern auch wegen seiner erfolglosen Versuche, auf der Wiese hinter dem Haus an der Wiedtalstraße verschiedene Apfelsorten selbst zu züchten. Udo war eben Udo. Bulle mit Leib und Seele, überzeugter Apfelesser und -User, Traktorfan und mehr oder
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