HahnBlues | Ein Rhein-Mosel-Krimi
Türrahmen stehen und blickte sich um. Der Kirchturm auf der gegenüberliegenden Straßenseite war stimmungsvoll angeleuchtet, und als er den Blick nach Norden richtete, erkannte er in einem tiefen Grau die sanften Ausläufer des Westerwaldes, die bis an sein Grundstück reichten. Der Mond tauchte den Hof in ein kaltes Licht.
Es war eine laue Nacht, ein seichter Wind strich über die Wipfel der alten Tannen und erzeugte ein sanftes Rauschen. Der Duft von Blüten und frisch gemähtem Gras stieg in seine Nase.
Plötzlich wusste er, was heute anders war: Die Beleuchtung, die normalerweise durch einen Bewegungsmelder über der Haustür eingeschaltet wurde, blieb dunkel. Sofort waren all seine Sinne in Alarmbereitschaft. Er dachte an seinen Verfolger. Waren sie vor ihm hier gewesen und erwarteten ihn bereits, um ihn am Fortsetzen seiner Recherchen zu hindern?
Alles würde passen: Sie hatten, während er bei Bettina gewesen war, die Honda so manipuliert, dass der Motor nicht ansprang und er entweder an der Mosel hätte bleiben müssen oder dass er mit dem alten Polo seiner Freundin nach Hause fuhr. Während er mit der alten Kiste im Schneckentempo auf dem Heimweg war, blieb ihnen genügend Zeit, um ihm hier einen gebührenden Empfang zu bereiten.
Er spürte, wie sich die Härchen auf seinen Unterarmen aufrichteten. Schlagartig war er wieder hellwach und seine Sinne in Alarmbereitschaft. Fast rechnete er beim Betreten des Hauses damit, eins übergebraten zu bekommen.
Der Gedanke, dass er es mit Profis zu tun hatte, kam ihm wieder in den Sinn. Hier wurde nichts dem Zufall überlassen, also konnte sich Kaltenbach auf eine Überraschung im Haus gefasst machen. Man hatte ihn wahrscheinlich seit seiner Ankunft in Enkirch verfolgt. Was, wenn Bettina mit ihnen – wer immer sie auch waren – unter einer Decke steckte?
„Jetzt geht alles mit dir durch, Kaltenbach“, brummte er kopfschüttelnd und betrat das Haus. Wie er erleichtert feststellte, hatte man ihm nicht am Sicherungskasten herumgefummelt. Das Licht funktionierte, und dennoch versicherte sich Kaltenbach mit einem Rundgang durch das Haus, dass er alleine war. Die Holzdielen des Bodens knarrten bei fast jedem Schritt, ein Geräusch, an das er sich längst gewöhnt hatte. Er machte Licht in jedem Zimmer, schaute sich um und löschte die Lampen wieder. Im Flur drang das Mondlicht durch die hohen Sprossenfenster. Das genügte ihm zur Orientierung – Kaltenbach kannte jeden Zentimeter in diesem Haus, das er selber wiederaufgebaut hatte.
Mit Hilfe seiner Freunde aus dem Dorf hatte er Wände eingerissen, neue gemauert, das alte Fachwerk freigelegt und dem kleinen Bauernhaus so zu seinem typischen Charme verholfen, er hatte Wasserrohre und Elektroleitungen neu verlegt, das Dach gedeckt und die Fassade frisch verputzt und gestrichen. Kaltenbach kannte jede Ecke seines Hauses und war positiv überrascht, dass er hier nicht von irgendwelchen Typen empfangen wurde, die er nicht eingeladen hatte.
In der Küche empfing ihn das gewohnte Chaos: Ein weitgehend leerer Kühlschrank und eine Spüle, in der sich der Abwasch der letzten Tage stapelte. Obwohl ihm Hausarbeit zuwider war, hatte er auf die Anschaffung einer Spülmaschine immer verzichtet. Schließlich, so redete er sich ein, war er Single. Und die drei Teller, die da anfielen, konnte er auch selber abwaschen. Heute dachte er ein wenig anders darüber. Schließlich gab es auch schon kleine Spülmaschinen.
Immerhin fand er noch Bier und eine Packung Kochschinken im Kühlschrank. Erst jetzt spürte er, dass er hungrig war. So verließ er mit dem Schinken und einer Flasche Bier die Küche. Im dunklen Arbeitszimmer angekommen, schaltete er die kleine Bankerlampe auf seinem Schreibtisch ein, bevor er auf den bequemen Chefsessel sank, die Füße auf den Schreibtisch legte und erst die Bierflasche, dann die SB-Packung mit dem Schinken öffnete. Der erste Schluck Bier erweckte die Lebensgeister in ihm. Kaltenbach rollte eine Scheibe Schinken zusammen, als er sah, dass die Kontrollleuchte des Anrufbeantworters blinkte. Kurz war er versucht, die Mailbox abzuhören, doch sein Tag war lang und hart gewesen, und auf nervige Anrufer hatte er heute keine Lust mehr. Er war müde, musste noch ein wenig recherchieren und würde dann, mit der nötigen Bettschwere, in die Laken sinken. Kaltenbach nahm die Stiefel von der Tischkante und fuhr den Rechner hoch. Indem er darauf wartete, dass das Betriebssystem bootete, machte er sich über
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