HahnBlues | Ein Rhein-Mosel-Krimi
Kaltenbach versöhnlich.
„Der Container ist heute Morgen in die Luft geflogen, als er ihn betreten hat.“
„Explodiert? Das klingt nach einem ziemlich spektakulären Anschlag.“ Kaltenbach wurde unruhig. An der Mosel stank etwas zum Himmel, und es wurde Zeit, dass er loskam.
Kaltenbach erhob sich. „Wie alt ist die Meldung?“
„Eine gute Stunde.“ Mellie blickte ihren Kollegen verwundert an, als er sich von seinem Schreibtisch erhob. „Was hast du vor?“
„Na was wohl?“ Kaltenbach zuckte die Schultern. „Ich fahre los und mach mir ein Bild. Und sollte es tatsächlich eine Geschichte hinter der Geschichte geben, maile ich sie euch heute noch rüber – versprochen!“
„Ich dachte, ich komme mit.“ Sie erhob sich ebenfalls und strich den dünnen Stoff ihres leichten Baumwollrockes glatt.
„Falsch gedacht, sorry.“
Kaltenbach schüttelte ab und deutete auf Dietz, der immer noch telefonierte und sichtlich nervös mit der Mine seines Kugelschreibers tickerte. „Dein Ressortleiter würde mich köpfen, wenn ich dich mitschleppe, Mellie, nichts für ungut.“
Die junge Redakteurin war sichtlich gekränkt, dass er sie auch heute nicht mitnahm. Dennoch nickte sie verständnisvoll. „Na gut“, murmelte sie mit einem gequälten Lächeln. „Dann halt ich hier den Laden hoch und werde Dietz bespaßen – sicherlich auch kein Zuckerschlecken bei seiner Laune.“
„Du packst das schon“, munterte Kaltenbach sie auf, dann stand er im kühlen Treppenhaus und atmete tief durch.
SECHS
Udo Reuschenbach stierte entnervt auf sein Handy, das mit einem wütenden Vibrieren über den Schreibtisch wanderte. Er schnappte sich den Granny Smith, den Larissa ihm am Morgen eingepackt hatte und biss herzhaft hinein. Als er die Augen schloss, sah er üppige Obstwiesen in Südtirol und glaubte, das fruchtige Aroma riechen zu können. Der säuerliche Fruchtsaft reizte seine Geschmacksnerven, dann war Udo wieder in der Realität angekommen.
Vor wenigen Minuten hatte er von einem Brand in Metternich erfahren, um den er sich kümmern sollte, da die Feuerwehr von Brandstiftung ausging. Seit einiger Zeit trieb ein Feuerteufel in Koblenz sein Unwesen, und Brandstiftungen fielen in Udos Dienstbereich, ebenso wie Waffen- und Tötungsdelikte. Seit einigen Tagen unterstützte er das Team vom K 6 der Regionalen Kriminalinspektion Koblenz bei der Arbeit, obwohl er eigentlich für Todesermittlungen bei der ZKI Koblenz zuständig war.
Letzte Nacht hatte es eine kleine Schreinerei erwischt; der Betrieb war bis auf die Grundmauern abgebrannt, und Udo bezweifelte, dass sich noch Spuren finden ließen, die einen Hinweis auf den oder die Täter brachten. Entsprechend mies war seine Laune.
Die Luft im Büro des Polizeipräsidiums am Moselring war stickig, und er hatte sich eben schwerfällig erhoben, um das Fenster zu öffnen. Er hasste diese unerträgliche Hitze am Morgen und fürchtete, dass es spätestens am Mittag nicht mehr auszuhalten war. Udo sprang auf, öffnete das Fenster und ertrug den Verkehrslärm, der von einem warmen Wind vom Moselring ins Büro getragen wurde, dann griff er nach dem Handy.
Kaltenbach ruft an, stand auf dem Display.
„Wer stört?“, fragte er kauend, nachdem er die grüne Taste gedrückt hatte.
„Es hat einen weiteren Toten gegeben.“
„Bernd, rede Klartext!“ Udo ließ sich mit einem Seufzen auf den verschlissenen Bürostuhl sinken, klemmte das Telefon zwischen Schulter und Wange und schraubte die Mineralwasserflasche auf, um einen tiefen Schluck davon zu nehmen. Dann biss er wieder in den Apfel.
Wenn das mal keinen Dünnschiss gibt, dachte er und wurde von der Stimme seines Freundes aus den Überlegungen gerissen.
„Hörst du mir nicht zu? Was von ,es hat einen weiteren Toten gegeben‘ hast du nicht verstanden?“ Bernd berichtete seinem Freund von der Explosion des Laborcontainers in Enkirch.
„Was soll ich nun tun?“, fragte Udo ein wenig genervt und biss in den Granny Smith. Er fürchtete, dass Kaltenbach wieder mit einer Bitte kam, die er ihm unmöglich abschlagen konnte – so wie eigentlich immer. Vielleicht, so überlegte Udo, war er einfach zu gutmütig, um Bulle zu sein.
„Setz dich mit den Kollegen in Trier in Verbindung und frag sie, ob das ein Anschlag war, mehr will ich gar nicht wissen.“
„Du spinnst.“ Udo erhob sich wieder und wanderte durch das Büro. Während er mit der rechten Hand das Telefon hielt, führte er mit der linken den Granny Smith zum Mund.
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