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Hahnemanns Frau

Titel: Hahnemanns Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bauer Angeline
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sich beim Abschied doch alle Mühe gegeben hatte. Außerdem war ihm der alte Hahnemann sehr sympathisch. Er strahlte eine väterliche Wärme aus, ein Freundlichkeit, die ihm, Sébastien, das Gefühl gab, willkommen zu sein. Irgendwie schämte er sich plötzlich, sich mit so unlauteren Absichten Zutritt zu den Hahnemanns verschafft zu haben.
    Als Sébastien am Freitag wie verabredet zum zweiten Mal die Praxis aufsuchte, wurde er von Charles Lethière empfangen und in das Ordinationszimmer gebracht. Sébastien schätzte den Jungen auf neunzehn, vielleicht zwanzig Jahre. Er wirkte etwas verschlossen, war dabei aber stets auf Höflichkeit bedacht.
    »Hier ist Monsieur Colbert.« Charles hielt ihm die Tür auf, wartete, bis Sébastien eingetreten war, dann betrat auch er das Ordinationszimmer und ging zum Medikamentenschrank, den er öffnete.
    Mélanie war diesmal allein. Sie saß am Schreibtisch und schrieb in das Patientenbuch. Als Sébastien näher trat, legte sie die Feder hin, stand auf und kam zu ihm, um ihm die Hand zu reichen. Sébastien beugte sich in einem angedeuteten Kuß darüber.
    Charles hatte inzwischen ein Tablett mit braunen Medizinfläschchen aus dem Schrank genommen. Nun wandte er sich an Mélanie. »Das soll ich zu Dr. Hahnemann in den Apothekenraum bringen – kommen Sie alleine zurecht?« Er sah mit einem schnellen Seitenblick zu Sébastien.
    »Es geht schon, danke, mein Lieber!« Mélanie bot Sébastien an, sich zu setzen, wartete, bis Charles die Tür geschlossen hatte, und setzte sich dann ebenfalls.
    »Nun, wie geht es Ihnen, Monsieur?« Sie sah ihm forschend in die Augen.
    »Danke, sehr gut. Und Ihnen, Madame?«
    Sie lachte und schüttelte den Kopf. »Haben Sie bereits vergessen – ich führe hier die Befragungen durch!«
    »Oh, Verzeihung.« Er verneigte sich kurz, suchte ihren Blick und hielt ihn fest.
    »Also? Wie waren Ihre Nächte seit der Mittelgabe?«
    »Einsam, Madame.«
    »Ich bitte Sie, Monsieur! Ich muß Sie zur Vernunft rufen! Sie sind nicht hier, um mir den Hof zu machen, es geht um Ihre Gesundheit.« Sie sagte es streng, aber mit einem Lächeln. »Hatten Sie Husten?«
    Sébastien lehnte sich zurück und dachte nach, bevor er berichtete. »Es war Mittag, als ich die Arznei von Ihnen bekam. Ich fuhr dann nach Hause. Dort angekommen, aß ich eine Kleinigkeit, danach legte ich mich für kurze Zeit hin, um zu schlafen – das heißt, ich versuchte es, aber das Liegen schien mir nicht gutzutun, denn kaum hatte ich die Augen geschlossen, um in das Land der Träume hinüberzugleiten …« Er unterbrach sich und sah sie versonnen an.
    »Nun, was passierte dann?«
    »Ja, dann fing ich an zu husten.«
    »Und weiter – was stellten Sie noch fest?«
    »Hitzewallungen. Beklemmung und Brennen in der Brust, auch ein Brennen in den Augen. Ich stand schließlich auf und öffnete das Fenster. So ging es mir besser. Außerdem fiel mir eine gewisse Reizbarkeit auf. Ich war ungeduldig mit dem Hausmädchen, auch mit dem Pferd, als ich am Nachmittag in geschäftlicher Angelegenheit nach Versailles ritt.«
    Mélanie notierte alles in ihrem Buch, wobei sie hin und wieder nickte. »Eine kleine homöopathische Verschlimmerung in den ersten Stunden ist ein gutes Zeichen und bedeutet meist, daß die akute Krankheit schon von der ersten Gabe geheilt wird«, erklärte sie, ohne aufzublicken. Dann hob sie plötzlich den Kopf, lächelte und sah Sébastien forschend an. Ihr Lächeln kam ihm vor wie das Strahlen der Morgensonne, und er fing an, diese ganz und gar außergewöhnliche Frau ehrlichen Herzens zu bewundern.
    »Und weiter?«
    »Nachts schlief ich nun aber viel besser als üblicherweise. Allerdings wurde ich schon beim geringsten Geräusch wach, und danach fiel es mir schwer, wieder einzuschlafen – aber vielleicht lag das ja auch an Ihnen, Madame, ich hatte immerzu Ihr Bild vor Augen.«
    Mélanie schnappte nach Luft, wollte etwas entgegnen, doch im selben Moment ging die Tür auf, und Samuel kam herein.
    »Schönen guten Tag, Monsieur.« Er verneigte sich vor Sébastien. Dann ging er zu Mélanie, legte ihr eine Hand auf die Schulter, beugte sich über das Buch, in das sie ihre Aufzeichnungen schrieb, und las.
    Schließlich nickte er zufrieden. »Und sonst, meine Liebe?«
    »Sonst hat Monsieur immerzu mein Bild vor Augen!« Sie lachte leise, weil Sébastien sie so erschrocken ansah.
    »Ach?« Die beiden tauschten Blicke, lächelten sich zärtlich an, dann nahm Samuel Mélanies Hand, küßte sie und

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