Hahnemanns Frau
sagte: »Nun, was das betrifft, muß ich Monsieur leider sagen, daß es da kein Mittel zur Heilung gibt. Ich bin selbst von dieser Krankheit befallen und muß gestehen, es wird täglich schlimmer.«
Mélanie lachte. »Soll ich das auch als Symptom in diesem Buch verzeichnen?«
»Wir schreiben es in ein anderes Buch, meine Liebe.«
Samuel ging um den Tisch, setzte sich in seinen Sessel und sah Sébastien an. »Meine Frau wird Ihnen dasselbe Mittel noch einmal in einer anderen Dosis verabreichen. Bitte beobachten Sie sich ganz genau, und kommen Sie in ein paar Tagen wieder, um uns Bericht zu erstatten. Ich bin sicher, Sie werden schon bald keine Beschwerden mehr haben. Zumindest, was den Husten und die Atmung betrifft. Das mit dem Herzen ist eine andere Sache. Hier muß ich Sie allerdings warnen – auch wenn in Frankreich das Duellieren inzwischen per Gesetz verboten ist, was meine Frau betrifft, bin ich bereit, bis zum Äußersten zu gehen!« Ein Lächeln zuckte um seinen Mund, aber das Blitzen in seinen Augen ließ erkennen, daß er vielleicht ein alter Mann war, aber keiner, der sich Hörner aufsetzen ließ.
Dodo stieß die Tür auf und ließ Dr. Doyen den Vortritt. Dann folgte sie ihm in Sébastiens Arbeitszimmer, nahm das Tablett vom Tisch und wartete auf Anordnungen ihres Herrn.
Die beiden Männer begrüßten sich.
»Möchten Sie etwas trinken, Onkel – vielleicht ein Glas Wein?«
»Ja, gerne einen Wein.«
Sébastien sah Dodo an. »Bring uns eine Karaffe von dem Roten Médoc.«
Sie knickste und ging, und die beiden Männer nahmen Platz.
»Nun, wie weit bist du in unserer Sache gekommen, lieber Neffe?« Doyen faltete die Hände und sah Sébastien aufmerksam an.
»Tut mir leid, Monsieur, aber …« Sébastien stockte.
»Aber?«
»In beiden Fällen konnte ich nichts erreichen. Was das Simulieren betrifft – es ist mir nicht gelungen, Dr. Hahnemann etwas vorzumachen. Um ehrlich zu sein, ich beginne zu glauben, daß die Homöopathie tatsächlich eine ernst zu nehmende Heilkunst ist.«
Doyens Blick wurde hart. »Unsinn! Jeder vernünftig denkende Mensch muß erkennen …«
»Ich bin ein vernünftig denkender Mensch«, unterbrach Sébastien, »und erkannt habe ich vor allem, daß Dr. Hahnemann und seine Frau sich nicht an der Nase herumführen lassen. Sie fragen gezielt, und auch wenn einem die Fragen zuerst einmal etwas seltsam vorkommen, haben sie offensichtlich ihren Sinn. Am Ende wissen die beiden ganz genau, was zu tun ist. Obwohl ich zu Beginn nur fadenscheinige Symptome angab, verdichtete sich die Befragung immer mehr. Am Schluß hatte ich, ohne es zu wollen, alle Angaben gemacht, die zu meiner tatsächlichen Erkrankung führten, einem gelegentlichen Asthma, das meist nur nachts und im Liegen auftritt. Man gab mir eine Arznei, worauf sich mein Gesundheitszustand täglich besserte. Heute, nach zwei Wochen Behandlung, schlafe ich so gut wie seit Jahren nicht mehr.«
»Eine Arznei?« fragte Doyen nach. »Wie muß ich mir das vorstellen?«
»Es waren kleine Zuckerkügelchen, getränkt mit einer Substanz aus Sulfur, die in Wasser aufgelöst wurden, von dem ich einen Löffel voll einnehmen mußte. Ich habe nachgefragt, und man hat mir alles bereitwillig und ganz genau erklärt. Keine Geheimnisse, nichts, was mir Anlaß zum Mißtrauen gab. Auch die Leute, die im Salon warteten und sich über ihre Krankheiten unterhielten, berichteten immer nur das Beste.«
»Seltsam.« Doyen bedachte seinen Neffen mit einem abschätzenden Blick. »Ich habe genau das Gegenteil gehört! Bekannte berichteten von einem Lord, der eine Gesichtsneuralgie hat, die sich durch die Behandlung Hahnemanns wesentlich verschlimmerte.«
»Das stimmt«, bestätigte Sébastien. »Ich habe Lord Elgin selbst kennengelernt. Er hat zugegeben, daß sich sein Zustand für kurze Zeit verschlimmerte. Danach ging es ihm aber wesentlich besser. Es scheint öfter einmal vorzukommen, daß sich Reaktionen einstellen, die man als Verschlimmerung deuten könnte. In Wahrheit ist es ein Zeichen, daß die Krankheit von innen nach außen geht, als würde sie …« Er suchte nach Worten. »Als würde sie verglühen.«
Doyen stand auf. Seine Backenmuskeln spielten, aufgebracht ging er hin und her. »Dann bist du nun also auch ein Anhänger der Homöopathie?«
Sébastien schlug die Augen nieder. Er verfluchte den Tag, an dem sein Onkel ihn mit diesem Auftrag losgeschickt hatte. Nun saß er zwischen zwei Stühlen. Dem Onkel war er verpflichtet.
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