Halb verliebt ist voll daneben - Roman
Begleiter. Auf der Einladung stand Dresscode: Worin immer Sie sich schön fühlen. Und so diskutierten Brian und ich jedes Mal, wenn er vorbeikam, um mir Champagner nachzufüllen, sein Outfit, und er kam oft.
»Hm. Ich hab mich letztens auf einer Party ganz toll gefühlt – da bin ich als Wonder Woman gekommen.«
»Rachel hätte vermutlich nichts dagegen … wenn du das möchtest …«
Er überlegte einen Moment.
»Nein«, sagte er traurig. »Ich habe die blaue Satinhose verloren. Ohne die geht das nicht.«
»Dann zieh an, worin immer du dich wohlfühlst.«
»Ich könnte eine Pilotenuniform tragen. Und könnte
dich dann in meine Arme nehmen, wie Richard Gere das am Ende des Films macht. Ach, warte, nein, das geht auch nicht, ich hab’s im Rücken, weil ich mich letztens, als ich ein schweres Handgepäckstück in den oberen Schließfächern verstauen musste, verhoben habe.«
Und so ging es weiter. Uns blieben Tausende von Kilometern, um dieses Problem zu klären. Schließlich entschied Brian, einen roten Anzug zu tragen. Ich fand das nicht ganz so toll, aber er sprühte vor Begeisterung, sodass ich diese nicht dämpfen wollte, indem ich etwas anderes vorschlug.
Mindestens neunzig Minuten lang waren wir damit beschäftigt, einen gut aussehenden Millionär als Tischnachbarn für ihn zu finden, denn da ich am Kopfende saß, würde ich ihm nicht Gesellschaft leisten können. Schließlich hatte ich noch einen weiteren Geistesblitz.
»Du kannst neben Dominic sitzen. Er ist ein schwuler Theaterregisseur. Schneidig. Hat mich als der Bohnenstängel in Jack und der Bohnenstängel gecastet … aber wir drücken mal ein Auge zu«, sagte ich, radierte den Namen von Dominics Tischnachbarn weg und ersetzte diesen durch den von Brian. Und Dominics Tischnachbar setzte ich an den Altentisch mit Leo Clement.
»Wer ist das? Was hast du neben die Namen da geschrieben? « Er bückte sich und las das, was ich in winziger Schrift neben die Namen von Ruth und Simon gekritzelt hatte: wenn möglich weit entfernt vom Haupttisch platzieren oder hinter einer Säule .
»Das ist Simon«, teilte ich ihm leise mit.
»Wie? Der Bananenmann?«
»Hm, er und Yogafrau und das kleine Mädchen werden da sein.«
»O du Fröhliche!«
»Es wird mir gut damit gehen«, sagte ich.
Brian sah mich an, als würde er mir das nicht abnehmen.
»Gut?«
»Na ja, so gut eben, als ob man mir mit einer Mistgabel in den Fuß gestochen hätte«, verdeutlichte ich.
»Dein wirklich heißer schwuler Begleiter wird für alle Fälle eine Packung Kleenex in der Tasche seines roten Anzugs haben.«
»Danke.«
Mir wäre es lieber gewesen, Simon und seine Familie hätten ihre Einladung zur Hochzeit abgelehnt. Nicht dass ich sie nicht sehen wollte. Irgendwann musste das ja passieren. Ich wollte sie nur nicht an einem fröhlichen Tag sehen, mehr nicht. Ich wusste, dass es mir emotional nahegehen würde. Weshalb ein Volkstrauertag oder die Zeit nach einer Naturkatastrophe für ein Treffen besser geeignet gewesen wären. Eigentlich jedes Ereignis, wo die Leute öffentlich ihrem Schmerz und Kummer in Tränen freien Lauf lassen.
82
Meine schwelenden Ängste wurden langsam unerträglich. Vom Flughafen aus nahmen wir alle ein Taxi. Rachel
und Eamonn setzten mich als Erste ab. Es war das erste Mal seit Tagen, dass ich ohne sie war. Plötzlich gab es nichts mehr, was mich von mir hätte ablenken können.
Simon hatte keine Nachricht hinterlassen. Ich suchte alles ab. Ich sehnte mich nach ein paar Worten. Dabei wusste ich nicht einmal, welche Worte das hätten sein sollen. Aber ich wollte Buchstaben auf einem Blatt sehen, die alles besser machten. Worte, die unter Simon und mich einen Schlussstrich zogen. Worte, die besagten, dass die Qual vorbei war. Und weg damit. Es kann weitergehen. Obwohl ich den Ausdruck »weitergehen« immer gehasst habe. Wenn Leute meinten, es müsse weitergehen, dann habe ich mich üblicherweise immer ganz schnell abgewandt und bin in die nächste Bar gegangen. Aber ich wünschte mir so sehr eine Nachricht von Simon, damit es weitergehen konnte. Ich brauchte einen Abschluss.
Als ich den Papierkorb für den Fall durchforstete, dass er einen Brief geschrieben, es sich dann aber anders überlegt hatte, fand sich auch dort nichts. Sogar im Badezimmer sah ich nach. Nichts. Nur etwas Schimmel. Die Küche brachte ebenfalls keinen Erfolg, lediglich die verrotteten Überreste einer Tomate fanden sich im Kühlschrank.
Es war nicht das Ende, das ich mir
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