Halb verliebt ist voll daneben - Roman
vorgestellt hatte. Es fühlte sich überhaupt nicht nach Ende an. Es erinnerte eher an eine illegal gebrannte DVD, deren Bildqualität zwar gut ist, die aber nicht den ganzen Film zeigt, sodass man nur dasitzen und auf den Bildschirm starren kann und nicht weiß, was man mit sich anstellen soll. Und ich tat so ziemlich dasselbe, was ich auch in diesem Fall getan
hätte. Ich machte mir eine Tasse schwarzen Tee, weil keine Milch da war, und ging zu Bett.
Zum Glück war es nur für eine Nacht. Am nächsten Morgen holten Eamonn und Rachel mich ab, um nach Devon zu fahren. Fast die ganze Strecke entlang der M4 und der M5 musste ich an Simon denken. Und dachte noch immer an Simon, als wir von der Autobahn abfuhren und hinter einem Traktor mit fünfundzwanzig Stundenkilometern herzockeln mussten. Doch wenn ich an ihn dachte, dann war er nicht mein Simon. Der alte Simon. Der Simon, der mit mir nach Devon gefahren war. Der Simon, der mir die Füße massierte. Der Simon, der sich über meine Blowjobs lustig machte. Er war ein neuer Simon, den ich nicht kannte. Ruths andere Hälfte und Annas Dad. Jemand, der zweifellos über Schulbezirke und das Abstillen redete und ein Spucktuch mit Erbrochenem darauf über der Schulter trug. Jemand, der mit einem Mädchen namens Ruth zu Bett ging und nachts wach wurde, um sein wunderschönes Baby zu knuddeln. Jemand, der seine Zukunft kannte und wusste, wer die Hauptrollen darin spielte. Und sie lebten glücklich und zufrieden.
Aber wo verdammt noch mal blieb mein glückliches Ende?
»Das musst du schon selbst rausfinden«, flüsterte ich laut. Eamonn hatte die Rolling Stones so weit aufgedreht, wie der kleine schwarze Knopf das zuließ. Und so hörte mich keiner. »Wo ist mein glückliches Ende?«, flüsterte ich wieder.
Plötzlich drehte sich Rachel, die auf dem Beifahrersitz saß, zu mir um und legte ihre Hand auf mein Knie.
»Wir sind bald da. Geht’s dir gut da hinten, Sarah?«, schrie sie.
Sie lächelte.
Und ich fühlte mich elend.
83
Anstatt traditioneller Junggesellinnen – und Junggesellenabende hatten Eamonn und Rachel sich für ein Männer- und ein Frauendinner am Vorabend der Hochzeit entschieden. Rachel hatte keine Lust auf einen langen anstrengenden Abend, an dem von ihr verlangt wurde, Sprühsahne vom Hintern eines Strippers zu lecken. Sie wollte was Schlichtes, das ihr erlaubte, sich wann immer sie wollte, davonzuschleichen und zu Bett zu gehen. Deshalb fand der Abend für die Frauen auch in dem georgianischen Haus statt, in dem alle Gäste untergebracht waren und wo auch die Hochzeit stattfinden würde. Die Männer wurden mit dem Bus in ein örtliches Fischlokal gefahren.
Erin und ich brachten die paar Stunden vor dem Junggesellinnenabend damit zu, den Speisesaal für Rachel zu schmücken. Wir hatten Platzdeckchen mit Fotos von Rachel gemacht, auf denen sie umwerfend aussah. Wir hatten einige peinliche Fotos von Rachel vergrößert und an die Wände gepinnt. Ich besaß ein paar ganz tolle von ihr aus ihrer Zeit auf der Klosterschule. Und ich hatte auch eins von ihr in der Stellung des Hundes gemacht. Das hatten wir mit den Worten Es ist Rachels Junggesellinnendinner
– Ärsche hoch! an die Tür geklebt. Im ganzen Raum verteilten wir Kerzen und rosafarbene Luftballons.
»Das haben wir gut hingekriegt«, sagte Erin, die an der Tür stand und ihre Blicke durch den Raum schweifen ließ. Sie trug ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und eine Latzhose. Sie sah tatsächlich aus, als spiele sie bei Unsere kleine Farm mit. Am liebsten hätte ich gesagt: Gute Nacht, John Boy!, tat es aber nicht. Ich trug die Jeans, die ich im Flieger getragen hatte, und dazu einen Pullover mit einem Loch unter dem Arm und darüber eine Strickjacke. Ich hatte vergessen, wie kalt es in England war. Meine Haare hingen ungebürstet herunter. Ich war nicht geduscht, weil ich zu spät aufgestanden war und noch hundert Sachen zu erledigen waren. Ich fühlte mich wie jemand, zu dem man auf der Straße sagte: Hier haben Sie siebzig Pennys, gönnen Sie sich eine Tasse Tee.
»Ich denke, das hätten wir. Oh. Mist. Ich habe eine Karte gekauft, die wir alle unterschreiben können. Sie ist oben auf meinem Zimmer, Erin, ich lauf rasch hoch und hol sie, bin gleich wieder da.«
Ich lief an ihr vorbei und hatte gerade meine Hand auf der großen Bronzeklinke, als ich spürte, wie diese sich bewegte. Ich verharrte, um zu sehen, wer zu uns reinwollte.
»Oh, Sarah, sorry.«
Es war Ruth. Sie sah
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