Halb verliebt ist voll daneben - Roman
verbringen. «
»Ja.«
Doch bei meiner letzten Begegnung mit Simon hatte ich ziemlich verschnupft auf das Ruth-Foto reagiert. Und das letzte Mal, als ich ihn sprach, hatte ich das Handy in der Annahme hingeworfen, er habe seine Erektion ihretwegen bekommen. Und deshalb war mir trotz aller Wiedersehensfreude ein wenig bang vor dieser Begegnung. Von der er übrigens gar nichts wusste, ich hatte ihm meine Rückkehr nach England nämlich nicht angekündigt.
»Was habt ihr denn später vor?«
»Weiß nicht.«
»Dann kommen wir vorbei.«
»Cool.«
»Also für Carlos kann ich natürlich nicht sprechen, aber ich komme bestimmt.«
»Super.«
»Gut, aber jetzt muss ich wieder zurück an meine blöde Arbeit.«
»Danke, Jules.«
Ich stand auf und bewegte mich, als hätte ich die Endausscheidung von Big Boss gewonnen, Richtung U-Bahn. Aber eigentlich fühlte ich mich gar nicht mehr wie in Big Boss . Und fragte mich warum. Da dämmerte es mir. Ich hatte eine Hand frei. Ich hörte das Gerappel hinter mir nicht mehr. Ich hatte meinen Trolley im Café vergessen. Mist.
Ich rannte so gut ich konnte mit dem schweren Koffer zurück. Nichts deutete mehr auf mein Gepäckstück hin. Ich fragte den Mann am Tresen. Er schüttelte den Kopf und zeigte geistesabwesend auf das Plakat hinter ihm mit der Aufschrift: Hier sind Diebe unterwegs. Achten Sie auf Ihre Habe.
Na wunderbar.
28
Simon wusste nichts von meiner vorzeitigen Rückkehr, weil ich ihn überraschen wollte. Für Überraschungen
dieser Art sprechen zwei Gründe: Man möchte beim unerwarteten Wiedersehen den X - Factor -Gewinnerblick sehen oder jemanden bei etwas ertappen, was er nicht tun sollte.
Tun Sie nie, was ich getan habe, nämlich Nummer 2 unter dem Vorwand von Nummer 1. Dass ich Simon nicht über mein Kommen informiert hatte, war einer meiner schlimmsten Fehler. Fast wäre unsere Beziehung darüber zerbrochen. Und obwohl ich mir Mühe gab, sämtliche Teile mit Kehrblech und Handfeger aufzusammeln, kam ich einfach nicht an alle dran. Und danach war es nie mehr wie vorher.
Zugegeben, meine Vorbereitung auf die Überraschung, die ich mir ausgedacht hatte, war nicht die beste. Ich stapfte die Camden High Street entlang, hielt die Hand, in der mein Trolley – Simons Trolley – hätte sein sollen, zur Faust geballt und murmelte dabei die Worte »Mist« und »Wichser«.
Ich liebe Camden. Aber es eignet sich nicht für jeden. Viele Leute verabscheuen Camden zutiefst. Das sind Leute, die es gern ruhig und friedlich mögen, die saubere Straßen und hübsche Einrichtungsläden lieben. Nicht jedem fällt es leicht, sich mit einem Viertel anzufreunden, in dem es Billigläden und abgefahrene Designerläden, Ethnotattooläden und Läden mit ausgefallenen Zigarettenmarken gibt. Aber genau diese Mischung liebe ich. Ganz besonders mag ich den Mix aus verrückten Leuten. Der Mann, der immer im neongrünen Strampler rumläuft und anstatt Haaren zwei grüne Drähte auf dem Kopf trägt oder die Dame mit dem Hund namens Adolph. (Keiner, den ich kenne, hat diesen Hund je gesehen, aber
sie ruft ständig nach ihm.) Jede Menge Leute kaufen sich in Camden ein Stück Pizza, um es gleich auf der Straße zu essen. Auch sie verdienen es, als verrückt eingestuft zu werden. Und an diesem Tag war es ein Segen, dass ich in Camden lebe. Keiner fand mein Gemurmel merkwürdig. Man war in Camden.
Aber es ist einfach Scheiße, beklaut zu werden. Es ist ein schreckliches Gefühl. Und wenn einem etwas geklaut wird, was einem nicht mal gehört, ist das noch schrecklicher. Natürlich wusste ich, dass es mein Fehler war, dass der Trolley weg war, ich hatte nicht darauf geachtet. Aber ich wünschte mir, die Welt wäre freundlicher. Und ich wünschte mir auch, ich hätte noch mein Filmskript, ein Souvenir, das ich später einmal meinen Kindern hätte zeigen können. Meinen Kindern, die für die nächsten Jahre noch gar nicht in Planung waren! Ich konnte nur hoffen, dass Simon bei meiner Rückkehr nicht gleich wieder mit den Verhandlungen darüber anfing.
»Mist, Wichser«, wiederholte ich, als ich in unsere Straße einbog.
Unsere Straße ist normalerweise eine friedliche Enklave inmitten des Affenzirkus von Camden. An diesem Tag war sie das nicht. Ein riesiger Lastwagen parkte dort und jede Menge Leute liefen darum herum, einen von ihnen erkannte ich als den Hundebesitzer von Wohnung Nummer 3 aus unserem Haus. Ich blieb stehen und ließ die Szenerie auf mich wirken, bis ich Simon sah, meinen Simon,
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