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HalbEngel

HalbEngel

Titel: HalbEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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infernalischen, röhrenden Gebrüll, hielt Sam senior immerhin vier Minuten lang durch, bevor er zum CD-Player rüberging und die Musik abstellte, sodass die restlichen vier Lieder ungehört blieben.
    Während ›Sleep‹ lief, war eine merkwürdige Stimmung im Zimmer. Sowohl Karen als auch Laurie betrachteten Sam senior aufmerksam und warteten auf den Moment, wo er sich entweder abfällig äußern oder sogar abschalten würde. Die vier Minuten, die er durchhielt, wurden somit für Karen zu einem Prüfstein für Sams Aufgeschlossenheit, für Laurie zu einem Test dafür, wie höflich Sam war und wie er ihre Schwester behandeln würde, wenn sie blieb. Vier Minuten – etwa die Hälfte des Liedes – war ein Ergebnis, mit dessen Auswertung sie Schwierigkeiten hatten. Es blieb wohl weiterhin ihnen selbst überlassen, was von Sam – und auch von Floyd – zu halten war.
    »Wenn ihr mich fragt«, meinte Sam, nachdem er abgeschaltet und sich wieder gesetzt hatte, »verdient dieser Floyd ein paar kräftige Dinger auf die Zähne. Macht einen Lärm wie ein gottverdammter Teufelsanbeter und behandelt meine Schwägerin schlecht. Und du« – mit Blick auf Laurie – »hast auch noch achtzehn Dollar ausgegeben für diesen Scheiß. Ich geh aufs Klo und dann ins Bett.« Als er die Tür zum Bad erreicht hatte, drehte er sich noch einmal um und sagte: »’Ne Menge Leute hier finden jetzt, dass Floyd Timmen einfach der Größte ist. Ich und meine Jungs, wir sind da wirklich anderer Meinung, wirklich anderer Meinung, ich kann euch sagen.«
    Laurie grinste Karen an und zuckte die Schultern. »Was hast du erwartet? Sam steht auf Meat Loaf und Bob Seger und solche Sachen.«
    Karen schüttelte sich. »Versprich mir, dass du dafür sorgst, dass Sam junior mal was Gutes zu hören bekommt.«
    »Na, dagegen wird Senior gar nichts machen können, schließlich bin ich es, die den ganzen Tag über mit dem Kleinen zusammen ist. Und du kannst drauf wetten, dass ich mit ihm auf dem Arm schon zu ›Zeroes‹ über den Teppich gegroovt bin.«
    »Dir gefällt das Album richtig gut?«
    »Nicht alles. › Market‹ ist mir zu lärmig, und ›Sleep‹ find ich furchtbar. Aber ansonsten find ich’s echt geil, tut mir leid.« Sie nahm einen Schluck Bier und setzte dann hinzu: »Ich fand auch Floyd geil, aber er hatte ja nur Augen für dich.«
    »Sei froh. Da bist du dem Unheil noch mal von der Schippe gesprungen.«
    »Wer weiß«, sagte Laurie und blickte langsam zur Badezimmertür hinüber, hinter der es gleichzeitig gurgelte und spülte. »Ist dir eigentlich klar, dass ... wenn du nicht mit Floyd abgehauen wärst ... dass ich dann niemals auf Sams Beteuerungen gehört hätte ... und wohl auch nie ohne Pille mit ihm geschlafen hätte? Ich hatte einfach das Gefühl ... ganz allein zu sein auf der Welt. Sam hatte seine Sado-Anwältin, du hattest Floyd, alle meine Freundinnen von früher waren verheiratet und hatten Kinder, selbst Mom und Dad haben einander. Nur ich hatte überhaupt nichts.«
    »Laurie, du hast doch immer ...« Karen stoppte sich selbst und dachte darüber nach, was sie gerade hatte sagen wollen. Es war sicherlich nicht fair, Laurie vorzuwerfen, dass Laurie immer von allen – Eltern, Lehrer, Nachbarn, Verwandten – besser behandelt worden war als sie selbst. Irgendwie hatte sich daran ja nichts geändert. Seitdem sie beide nicht mehr in direktem Vergleich zueinander standen, kriegte Laurie offensichtlich immer noch mehr hin als sie, also musste es auch an ihnen beiden selbst liegen. An Barbie und dem Freak.
    Die beiden Schwestern schwiegen, während Sam im Badezimmer merkwürdige Geräusche machte, die ein bisschen klangen wie aus einem Horrorfilm. »Meinst du wirklich, dass es meine Schuld ist?«, tastete Karen sich vor.
    Laurie starrte mit vorgerecktem Hals auf ihre Bierdose. »Schuld?« Sie sah wieder zur Badezimmertür hinüber, straffte sich dann und sagte: »Nein, keine Schuld. Es ist ja nichts Schlimmes passiert, also kann man wohl kaum von Schuld sprechen.« Sie legte beide Hände flach auf die Tischplatte. »Warum sitzen wir eigentlich hier rum und blasen Trübsal wie zwei alte Grubengäule? Lass uns lieber hochgehen und dir Bettwäsche und was zum Anziehen holen, bevor Sam sich hinhaut. Aber leise – der Kleine schläft schon.«
    Karen nickte und folgte ihrer Schwester auf Zehenspitzen ins Obergeschoss. Dort konnte Laurie es sich nicht verkneifen, ins Kinderzimmer reinzulugen, um nachzusehen, ob auch alles in Ordnung war, und

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