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HalbEngel

HalbEngel

Titel: HalbEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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schätzen und befolgen.«
    Der kleine Junge lächelte. »Das ist schön, Daddy. Das ist schön.«
    »Das ist wirklich so. Und jetzt schlaf ein bisschen. Wenn du etwas brauchst, dann ruf uns.«
    »Gute Nacht, Daddy.«
    »Gute Nacht, Floyd.«
    Daddy war zur Tür hinaus, ließ sie ein Stück weit offen, und der kleine Junge drehte sich im Bett herum und starrte in das sanfte Milchlicht seiner Nachttischlampe mit den Bugs-Bunny-Figuren drauf, bis ihm die Augen zufielen und er tatsächlich zu träumen begann.
     
    Mrs. Timmen saß auf dem Sofa und lächelte höflich. Es war zwar kein Fernsehinterview, sondern nur ein Interview für eine lokale Musikzeitschrift, in der verzweifelt versucht werden würde, irgendetwas über das Leben des Lokalmatadoren zu bringen, das noch nicht längst irgendwo geschrieben stand, aber Mrs. Timmen war eine freundliche, rundliche Person, und sie lächelte einfach lieber, anstatt dauernd brummig zu sein wie die jungen Leute heutzutage.
    »Floyd war ein wirklich lieber Junge. Er war schon als Baby lieb gewesen, nicht so quengelig, eher still. Nach dem Tod seiner Mutter wurde er dann noch stiller. Er war eines von diesen Kindern, die dauernd Schwierigkeiten kriegen, weil sie nie lügen.«
    »Weil sie nie lügen?«
    »Sie wissen schon. Ein Kind, das immer alles zugibt, was es ausgefressen hat, und das jedem Menschen ehrlich ins Gesicht sagt, was es von ihm hält, hat es oft sehr schwer und kriegt mehr Strafen aufgebrummt als andere. Mein Sohn Roddy – Floyds Vater – war zwar nie besonders streng mit Floyd, aber manchmal litt er halt doch darunter, dass sein Junge so gar kein soziales Geschick entwickelte. Irgendwann sagte mal ein Kinderpsychologe zu ihm, Floyd sei schwachsinnig. Aber das war natürlich völliger Unsinn. Floyd war ein Hochbegabter. Heutzutage weiß man ja darüber Bescheid. Damals, vor mehr als fünfzehn Jahren, war die Psychologie noch nicht so weit, so was bei Kindern zu entdecken und zu fördern. Mein Sohn Roddy freute sich über die bei Floyd durchschimmernden künstlerischen Talente – schließlich hatte Roddy in seiner Jugendzeit ja selbst Schriftsteller werden wollen –, aber andererseits konnte er auch nicht allzu viel damit anfangen. Es gab scheinbar keinen Weg, das alles irgendwie sinnvoll anzuwenden, verstehen Sie, was ich meine?«
     
    Die beiden Jungen, Floyd und Harv, beide dreizehn Jahre alt, stromerten herum am matschigen Ufer des Susquehanna River. Der Fluss hatte die Farbe von Rost, vom nahen Flughafen bohrten sich eiserne Vögel brüllend in den matten Himmel. Harrisburg, Hauptstadt Pennsylvanias, lag hinter den Jungs unter einer tauben Glocke aus Qualm und Dampf und braunem Ruß. Aus dem Wasser ragten Metallträger wie geborstene Eisenbahngleise. Harv ließ einen flachen Stein bis hinüber zum anderen Ufer hüpfen. Floyd kletterte auf die Überreste eines alten Stromverteilerhäuschens. Eine verwilderte Katze streunte vorbei und setzte sich hangaufwärts ab.
    »Hast du schon was für morgen gelernt?«, fragte Harv.
    Floyd ächzte. »Die sollen mich am Arsch lecken.«
    »Was ist denn schon wieder los mit dir?« Harv dachte eine Weile nach, trollte sich dann nach oben zu Floyd. »Manchmal versteh ich dich nich. Mister Newsley hat schon irgendwie recht, wenn er sagt, dass du das alles total leicht draufhaben kannst, wenn du dir nur ’n bisschen Mühe gibst. Bei mir wird das nie was. Weißt du eigentlich, dass ich vor dem letzten Test zwei volle Tage nichts anderes mehr getan habe als zu pauken? Und was hat’s gebracht? Gerade so bestanden. Mehr is einfach nich drin. Aber bei dir is das doch was anderes. Du hast die Bestnote in Literatur und haust voll rein mit Fremdsprachen und so. Du kannst voll, wenn du nur willst.«
    »Das ist gar nicht wahr. Ich interessier mich einfach nicht für den meisten Scheiß da. Ich hab auch überhaupt keinen Bock mehr, mich dafür abzubuckeln. Die ganzen Blödmänner gehen mir voll auf den Geist mit ihrem ewigen ›Und was willst du später mal weeeeerden, wenn du dich jetzt nicht mehr aaaanstreeeengst?‹ Also geh du mir nich auch noch auf’n Geist. Ich dachte, wir sind Freunde.«
    »Was’n los mit dir? Ich hab dir doch nichts getan .«
    »Nee, aber auf’n Sack gehst du mir.« Beide saßen jetzt nebeneinander, die Beine über die Vorderkante des Wellblechdaches baumelnd, und warfen Kieselsteine ins Wasser.
    »Schau dich doch mal um, Mann, Alter, sei doch nich so’n Idiot«, fing Floyd jetzt von sich aus an. »Schau dich

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