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HalbEngel

HalbEngel

Titel: HalbEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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weg, mit deinem Rockstar, und ich blieb ganz allein hier sitzen.«
    Das Schweigen, das jetzt entstand, vom Glucksen des Babys betont, war fast körperlich unangenehm. Karen betrachtete die bürgerliche Einrichtung, die bunten Gardinen, die hell gemaserten Schränke, den Tisch, die Audioanlage mit den wuchtigen CD-Ständern links und rechts davon.
    »Sieht so aus, als hättest du’s aber wieder gut in den Griff gekriegt. Wann habt ihr denn geheiratet?«
    »Ich und Sam? Seh ich so aus, als würde ich jemanden heiraten, von dem ich genau weiß, dass er nicht treu sein kann? Nee, so blöd bin ich nun auch wieder nicht. Wir sind nicht verheiratet und werden’s auch nie sein, wenn’s nach mir geht. Seinen Eltern ist’s egal, und unsere sollen die Schnauze halten. Als du abgehauen bist, haben sie ja auch nichts gesagt.«
    »Sie haben nichts gesagt?«
    »Wenig«, verbesserte sich Laurie. »Na ja.«
    »Sie werden froh gewesen sein, dass ich endlich weg war. Wird ihnen ganz und gar nicht gefallen, dass ich noch nicht an meinen Drogen krepiert bin.«
    »Red nicht so ’nen Scheiß.«
    »Ist doch kein Scheiß. Wir waren immer Licht und Schatten für sie, du und ich. Tochter Laura kriegt ein kleines Häuschen außerhalb der Stadt geschenkt, damit sie’s nicht mehr so weit bis zur Arbeit hat, und Karen hat ja ihre Drogen und ihre Kerle. So war das schon immer eingeteilt.«
    »Niemand hat dich je gezwungen, in unserem Wohnzimmer einen Gang Bang zu veranstalten.«
    »Das war kein Gang Bang, verdammt, das hab ich schon tausendmal erklärt. Es war so eine Art Strip-Poker, ganz harmlos.«
    »Ganz harmlos, ja. Weißt du was? Am Anfang, als wir beide mit Floyd unterwegs waren und es schon abzusehen war, dass zwischen euch was laufen wird, da hab ich wirklich gedacht, dass Floyd gut für dich ist. Und als du mit ihm abgehauen bist, hab ich das immer noch gedacht. Karry hat das große Los gezogen, hab ich gedacht. Er hat dich da rausgeholt und dir etwas von der Welt gezeigt, dass dir eigentlich den versponnenen Kopf wieder ein wenig gerader gerückt haben müsste. Aber dann ist dir langweilig geworden mit ihm, oder er hat dann gemerkt, dass mit dir nichts einen richtigen Sinn ergibt, und hat Schluss gemacht. Ich kann mir das alles sehr gut vorstellen. Das ist schon immer so gelaufen bei dir.«
    »Gar nichts kannst du dir vorstellen. Überhaupt nichts.«
    »Weil du nichts Richtiges erzählst, nur Ausflüchte. Wie soll ich mir denn da ein Bild machen? Du liebst ihn, du heiratest ihn, er ist verrückt, er findet dich nutzlos, ihr trennt euch. Und das alles innerhalb eines halben Jahres. Das ist doch Blödsinn. Willst du auch ’ne warme Milch? Ich mach mir eine.«
    »Ja, gerne. Soll ich helfen?«
    Laurie ging an Karen vorbei in die Küche, Sam junior auf dem Arm. »Das krieg ich schon alleine hin, mach dir darum mal keine Gedanken.« Sie fing an, einhändig in der Küche herumzurumoren, Karen blieb sitzen, die Beine untergeschlagen, mit den Fingern an den Stellen pulend, wo die Sofaknöpfe abgeschnitten worden waren.
    »Alles ist anders geworden in diesem halben Jahr«, fing sie leise an. »Als wir ihn kennengelernt haben, da hatte er MBMI gerade frisch gegründet. Weißt du noch? Sie tourten hier in der Umgegend wild herum, aber immer mit Harrisburg als Basis. Die Kreise wurden zwar immer größer, aber wir beide hatten keine Schwierigkeiten, jede Woche einen MBMI -Gig zu sehen und guten Kontakt mit Floyd zu halten.«
    »Ja, das war ’ne geile Zeit. Da war Brian Milman noch in der Band. Mein Gott, wenn man uns so reden hört, könnte man meinen, das ist Jahrzehnte her und unsere Jugend liegt so weit zurück. Das war letztes Jahr, Karry!«
    »Ja, aber das ist eben doch der Rock’n’Roll. Alles läuft so schnell, läuft so schnell weg. Nachdem ich das erste Mal mit der Band bis nach Scranton rausgefahren bin und übers Wochenende weggeblieben bin, ohne mich bei Ma und Pa abzumelden, hab ich’s zu Hause einfach nicht mehr ausgehalten.«
    »Mann, das war ja auch vielleicht ein Affentheater. Pa hat mich mitten in der Nacht angerufen und Panik geschoben, von wegen dass du vielleicht gerade jetzt, in dieser Sekunde, von Motorradbanden zu Tode vergewaltigt wirst und all so’n Scheiß. Und ich hab nur gesagt: ›Pa, das Mädchen ist achtzehn und volljährig, sie kann jetzt machen, was sie will.‹«
    »Und das stimmte ja auch, verdammt. Wofür wird man denn achtzehn, wenn man dann zu Hause immer noch Stress kriegt.«
    »’Ne Woche später

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