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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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»Das ist lächerlich.«
    »Es ist vollkommen egal, ob das lächerlich ist. Nicht egal ist, dass es meinem Charakter nicht widerspricht. Was meinst du? Widerspricht das meinem Charakter? Bin ich nicht die Art Mensch, die ihr ganzes Leben lang mit einer Bombe herumläuft, nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie sich irgendwann in einer Situation wiederfindet, in der es ihr sinnvoll erscheint, sich selbst in die Luft zu jagen? Wenn du denkst, ich wäre geistig gesünder, dann komm nur näher. Wenn nicht, dann sei versichert, dass ich dir morgen um diese Zeit eine weitere Chance geben werde, mich umzubringen.«
    Der leere Raum vor mir leuchtete auf, und ich sah ein neues Bild des Zwischenrufers: Dieses zeigte mich als nackte, ausgemergelte Version meiner selbst auf einer abgedunkelten Bühne, auf der ich zum Vergnügen eines unsichtbaren Puppenspielers tanzte. Meine durchbohrten Hand- und Fußgelenke waren geschwollen, die Löcher verkrustet und gerade halb verheilt. Mein Gesicht war weiß angemalt wie das eines Clowns, die Wangen leuchtend rot, und dort, wo der Clown einen roten Gummiball auf der Nase tragen würde, prangte ein Klumpen glänzenden Fleisches. Haken zogen meine Lippen zurück, formten sie zu einem schauerlichen, fixierten Lächeln, Lügen gestraft durch meine Augen, zwei verlorene, verzweifelte Kugeln, geblendet von all den Tränen, die sie vergossen hatten.
    Dann verschwand das Bild und hinterließ ein purpurnes Nachbild auf meinen Netzhäuten.
    Gleich darauf folgten letzte Worte, nicht länger seelenlos, nicht länger in einer veränderten Stimme, dazu angetan, die wahre Natur des Mörders zu verbergen, sondern in der Stimme des Mörders selbst, gesprochen ohne jegliche weitere Maskierung. »Du hast keine Freunde, Andrea. Nicht im Dip Corps und nicht auf One One One. Nur Verbündete und Feinde und künstlich verbundene Haustiere, die tun, was ihre Besitzer ihnen befehlen.«
    Ich wartete.
    Wieder brandete bösartiges Gelächter auf. »Das tut weh, was? Die Wahrheit darüber zu erfahren, was sie sind?«
    »Fahr zur Hölle«, sagte ich.
    »Ich bin nie woanders gewesen«, gab der Zwischenrufer in einem zutiefst bedauernden Ton zurück. Und dann, nur einen Moment später: »Aber du auch nicht.«
    Ich lauschte noch eine Weile, für den Fall, dass der Zwischenrufer noch einmal zurückkehrte, aber das Rascheln um mich herum war leise, sanft, schwerfällig, ausgelöst allein von den Brachiatoren. Und wenn ich mir gestattete, wegen dieser Sache den Rest der Nacht über paranoid zu bleiben, dann wäre ich nicht stark genug, um den nächsten Teil zu schultern. Also schloss ich die Hand um die kleine Scheibe (eine Münze, ausgegeben von einer von mir gestürzten Lokalregierung, auf der das Gesicht eines Lokalpolitikers abgebildet war, den ich wegen seiner Verbrechen gegen die menschliche Spezies erfolgreich belangt hatte) und steckte sie zurück in die kleine Tasche an meinem Gürtel.
    Vielleicht würde ich mir, wenn ich nach New London zurückkäme, die Zeit nehmen, das zu ersetzen, was ich hatte fallen lassen.
    Ich würde mich nackt fühlen, bis es mir gelänge, eine andere Bombe in die Finger zu bekommen.
    In der Zwischenzeit meldete ich mich bei den Porrinyards.
    »Alles in Ordnung, Andrea?«
    »Ging nie besser«, sagte ich.
    Ihre Stimme klang zweifelnd. »Entschuldige, wenn es mir schwerfällt, das zu glauben.«
    »Nein, ich meine es ernst. Der Zwischenrufer hat gerade Kontakt aufgenommen ...«
    Sie fielen mir ins Wort, sprachen nun vorwiegend mit Oscins Stimme. »Ich kann sofort bei dir sein.«
    »Nein. Der wirklich schwere Teil liegt noch vor uns. Für mich ist nur wichtig, dass ihr wach bleibt und auf alles Ungewöhnliche achtet. Es wäre möglich, dass ihr selbst auch nicht ganz sicher seid.«
    Pause. Dann: »Denkst du, dein Freund könnte versuchen, über uns an dich heranzukommen?«
    »Sagen wir einfach, die vorangegangenen Ereignisse haben eine gewisse Ignoranz in Hinblick auf Kollateralschäden gezeigt. Haltet die Augen offen.«
    »Du auch«, sagten sie. »Wir wollen dich nicht verlieren.«
    Ich weiß nicht, wie viele Stunden ich dort baumelte, all den Bewegungen um mich herum lauschte und versuchte, die Höhe zu ignorieren, versuchte, mir nicht vorzustellen, der Zwischenrufer streife umher, um es noch einmal zu versuchen.
    Ich durchlitt noch einige zusätzliche Episoden der Panik, kämpfte aber jede einzelne erfolgreich nieder. Sie kosteten mich viel Kraft, und nach einer Weile stellte ich

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