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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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aufgeschoben, und peitschte mich selbst um die Ecke des Portals, schoss im Blindflug hindurch und rollte mich am Boden ab.
    Toller Witz. Niemand lauerte mir auf.
    Ich hatte eine Art Industrievorzimmer betreten: einen dieser Orte, die es in allen technisierten Gesellschaften gab und in denen alle Gerätschaften versteckt worden waren, um die glatten, präsentablen Flächen rundherum nicht zu stören. Hier sah nichts aus, als wäre es lediglich zur Behaglichkeit menschlicher Wesen geschaffen worden. Die Wände waren unebenmäßig, überzogen mit Vorsprüngen, von denen einige nichts weiter als feste geometrische Formen bildeten, während andere sich bewegten, veränderten und zu neuen Formen anordneten wie neu gegossenes Kerzenwachs. Einige zeigten sich in Farben, die ich zwar sehen konnte, die ich jedoch aus dem mir bekannten visuellen Spektrum nicht kannte. Sie schmerzten in meinen Augen, wenn ich sie betrachtete, und sie hinterließen scheußliche Nachbilder, wenn ich den Blick abwandte.
    Das Abscheulichste war direkt vor mir.
    Auf der Plattform neben einem weiteren Portal auf der gegenüberliegenden Seite der Kammer lag ein blutiger abgetrennter Kopf.
    Ich war dem Dienstverpflichteten Cartsac nur ein paar Mal begegnet. Die Anzahl der Male, bei denen ich ihn im Wachzustand gesehen hatte, summierte sich auf eine grandiose Eins. Jetzt jedoch sah er, obgleich tot, ziemlich wach aus. Beide Augen wirkten wie hervorstehende Murmeln, zu sehr mit Blut verschmiert, um die Existenz von Iris oder Pupille zu bestätigen. Was immer ihn in diesen Zustand versetzt hatte, hatte schlampig gearbeitet. Der Kopf war nicht sauber abgetrennt, sondern eher von den Schultern gerissen worden. Die zerfetzten Hautlappen, die über den Rand der Plattform hingen und sich allmählich braun verfärbten, troffen noch stark genug, zu bezeugen, dass der Mord erst vor Minuten geschehen war.
    Ich war keineswegs beeindruckt.
    Ich stand auf, durchquerte den Raum und fuhr mit der Hand durch das abscheuliche Bild, womit bewiesen war, dass auch das nur wieder eine neue Projektion war.
    »Ist das alles, was du kannst?«, fragte ich.
    Niemand antwortete.
    Ich machte mir nicht mehr die Mühe, den Kopf einzuziehen oder mich abzurollen, als ich das nächste Portal passierte. Ich schoss einfach hindurch, halb in der Erwartung, angegriffen zu werden, sobald ich mich zeigte.
    Hier stieß ich auf den Ort, an dem der Zwischenrufer geschlafen hatte.
    Dieser Ort zeigte sich ausschließlich als ein Zuhause, weil die Wände, so amorph wie die in der Kammer, die ich gerade verlassen hatte, nur den Hintergrund einer beinahe schon drolligen häuslichen Szenerie bildeten. Eine Hängematte der altmodischen offenen Art, dazu gedacht, einen Menschen in Rückenlage zu beherbergen, hing unbesetzt gleich links neben mir. Ihre Verankerung verbarg sich hinter ständig in Bewegung befindlichen kaleidoskopischen Gebilden innerhalb der Decke. Ihre Bewegungen wirkten sich nicht auf die Seile oder die Hängematte aus, soweit ich es erkennen konnte. Das Segeltuch wies Flecken auf, die ich aus Hängemattenstadt und aus jüngerer Zeit auch von meiner eigenen Kleidung kannte: Mannasaft, der aus einem Stück Überwuchs an der Decke der Kammer troff. Frische Mannabirnen hingen in dichten Trauben in der Mitte des Geästs. Mich erinnerten sie an nichts so sehr wie an einen Futterspender, der stets gut gefüllt war, um kleinere Lebewesen in einem Käfig zu versorgen.
    Ich schnaubte verächtlich. »Das ist also deine tolle Belohnung, ja? Das, was all deine Herren dir für den Rest deines Lebens zu geben haben?«
    Etwas bewegte sich hinter dem nächsten offenen Portal, das wie eine offene Wunde in der Wand zu meiner Rechten klaffte. Zwei weitere Bildnisse grausamer Tode flankierten es zu beiden Seiten.
    Das Bildnis auf der linken Seite zeigte eine gaffende Cynthia Warmuth, die etwa so aussah, wie sie ausgesehen haben musste, als sie gekreuzigt im Überwuchs gehangen hatte: ihre Glieder weit ausgebreitet, die Augen in verständnislosem Entsetzen geweitet. Leuchtend rote Punkte waren auf ihre beiden Wangen gemalt worden. Das Bildnis auf der rechten Seite stellte Peyrin Lastogne dar, die Haut geschwärzt und knusprig bis zur Unkenntlichkeit, seine Identität nur feststellbar anhand der Tatsache, dass die Visage aus verbranntem Fleisch darauf beharrte, die Grimasse beizubehalten, die so kennzeichnend für den Mann war. Seine unversehrten Augen bezeugten, dass auch er den Tod leugnete: Er musste dort

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