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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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Einladung zum Beginn eines Gesprächs hätten verstehen können. Allein inmitten von Liebespärchen und Freundesgruppen, die an den anderen Tischen munter miteinander schwatzten. Ich hatte es fertiggebracht, mich an dem würzigen Essen und dem Kokon der Stille zu ergötzen und mitten unter ihnen zu sitzen, ohne eine von ihnen zu sein. Das war meine Entscheidung gewesen. Aber wie viel Zeit hatte ich mit der Nase in meiner wichtigen Arbeit verbracht und wie viel damit, die Terrassen auf der anderen Straßenseite zu betrachten und die Leute, die den Raum betraten und verließen wie Schauspieler, die in einem von dreihundert Stücken auftraten, die nur für mich geschrieben worden waren? Wie sehr ich sie gehasst hatte, diese Leute, wie sehr ich mich damit getröstet hatte, sie als geistlos einzustufen, wann immer ich ein Lächeln sah, Gelächter hörte, und wie hartnäckig ich mir selbst versichert hatte, dass meine Leere so viel wahrhaftiger sei, so viel echter als was immer diese Menschen an Vergnügungen benutzten, um ihr Inneres auszufüllen?
    Warum hatte ich das alles getan, wenn sie doch knapp unter meiner Wahrnehmungsgrenze existierten?
    Wie viel mehr hätte ich haben können, wäre ich nur imstande gewesen, meine innere Abscheulichkeit fortzuschieben, wenigstens lange genug, um einen Versuch zu wagen?
    Es gefiel mir nicht, Eigentum des Dip Corps zu sein. Das hatte mir nie gefallen. Es war eine bequeme legale Erfindung, eine Mauer, die zwischen mir und der Auslieferung auf Basis von Verbrechen stand, an denen ich niemals Schuld getragen hatte. Es hatte mich geschützt. Es hatte mir die Möglichkeit gegeben zu leben, auch wenn ich mich nie dazu imstande gesehen hatte, diese Möglichkeit zu mehr zu nutzen als dazu, die mir zugeteilten Tage hinter mich zu bringen. Aber vielleicht war das Dip Corps nicht die einzige Macht, die Rechte an mir geltend machte. Vielleicht taten das auch all diese fremden Gesichter. Vielleicht hatte ich kein Recht, ihnen den Rücken zuzukehren. Falls ich tatsächlich gefordert sein sollte, gerade das zu tun. Oskar Levine war rechtlich kein Mensch, lebte aber immer noch in einer Gemeinschaft menschlicher Wesen. Hatte immer noch eine Frau, hatte Freunde, Leute, die ihn gernhatten. Natürlich musste auch er sich mit Mistkerlen wie Gibb herumschlagen, der ihm nie vergeben würde, was er getan hatte. Er konnte nicht nach Hause zurückkehren, also hatte er sich ein neues Zuhause geschaffen.
    War das dann kein Bilanzverlust?
    Und war das überhaupt ein passender Vergleich?
    Hätte ich die Grenze erst einmal überschritten, was würden meine neuen Eigentümer von mir fordern?
    Waren sie genauso schlimm wie der Teufel, den ich kannte, oder würden sie noch schlimmer sein, schlimmer auf eine Art, die ich nicht erfassen konnte, weil ich noch nicht genug Informationen besaß?
    Darüber hinaus: Konnte ich ich selbst sein, und konnte ich je damit zufrieden sein, es nicht zu wissen?
    Ich wusste nicht, wie meine Antwort ausfallen würde, bis ich sie aussprach. Aber ich atmete ein letztes Mal ein und stieß die Luft in einer Woge des Trotzes wieder aus, ehe ich die Worte sagte, die sie von mir hören wollten.
    »Also schön, ihr Dreckskerle. Ich laufe über.«
    Ihre Antwort troff nur so vor Selbstzufriedenheit. Das ist es, was wir wünschen.
    Ein Portal öffnete sich an einem Ort, der so nah war, dass ich dort nie mit einer anderen Umgebung gerechnet hätte. Eine sanfte Brise aus einer Quelle hinter mir steuerte mich aus dem freien Raum hinaus in einen Tunnel, der gerade groß genug war, mich in meinem Segelflug hindurchzulassen, ohne dass ich irgendeinen Zusammenstoß mit soliden Wänden erdulden musste. Dieser Ort war nicht gut beleuchtet, nicht so wie der Schnittstellenraum; er war düster, unebenmäßig und voller unsichtbarer Plätze.
    Als die Tür sich hinter mir blendenförmig schloss, stürzte ich in die Finsternis.

24
    MÖRDER
    Angetrieben von Kräften, die nicht allein bloßen Luftdüsen entspringen konnten, polterte ich meinem Empfinden nach länger als eine Stunde durch diesen dunklen Korridor. Ein- oder zweimal ging ein Ruck durch meinen Körper, ausgelöst durch eine plötzliche Erhöhung der Geschwindigkeit. Ein- oder zweimal fühlte ich einen starken Wind im Gesicht. Ein- oder zweimal dümpelte ich einfach so dahin, nicht imstande, irgendeine Bewegung wahrzunehmen, und fragte mich, ob ich angehalten hatte, hoffte, dass ich nicht im KIquellen-Äquivalent eines Kerkers zurückgelassen worden

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