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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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Testergebnisse, Andrea. Sie sind ziemlich bemerkenswert. Du verdienst jede Möglichkeit der Bildung, die wir dir bieten können. Aber wir können es nicht rechtfertigen, dich einfach gehen zu lassen. Es gibt leider zu viele Spezies, die nicht an eine vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit deinerseits glauben, und solange wir ihnen keine Lösung anbieten können, die sie veranlasst, auf weitere Maßnahmen zu verzichten, werden sie tun, was sie können, um dich auszuliefern. Aber wenn du willst, kannst du diesen Ort verlassen und Immunität erlangen. Alles, was du dazu tun musst, ist, uns zu erlauben, für den Rest deines Lebens als deine gesetzlichen Vertreter zu fungieren.
    Die Verträge der meisten Dienstverpflichteten wie Warmuth und Santiago hatten eine begrenzte Laufzeit: fünf, zehn, zwanzig oder dreißig Jahre; die Bedingungen waren von Vertrag zu Vertrag unterschiedlich. Sie konnten die zugewiesene Zeit vollständig abarbeiten oder sich Zeitboni verdienen, die eine frühere Entlassung ermöglichten. Sie alle wussten, dass sie sich auf eine großzügige Pension und einen Pass, der ihnen eines Tages alle Freiheiten einräumen würde, freuen durften. Sie alle wussten, dass sie sich eines Tages wieder ganz selbst gehören würden.
    Diesen Luxus hatte ich nicht. Das Dip Corps hatte mir lebenslangen Schutz zugesichert - lebenslang innerhalb der Grenzen, die ich erwarten durfte angesichts der Tatsache, dass sie mich in dem Moment aufgeben würden, in dem sie mich als wertvolle Tauschwährung einstuften. Aber nur sie allein konnten diesen Vertrag auflösen. Ich hatte keine Möglichkeit, die Sache zu beenden.
    Ich war Besitz und rechnete damit, dass sich daran in absehbarer Zukunft nichts ändern würde.
    Ich hatte mich an die Vorstellung gewöhnt.
    Doch ich hatte mir nur eingebildet zu wissen, was das bedeutete.
    Denn vor weniger als einem Jahr hatte sich auf Catakhus eine vollkommen neue Bedeutung des Sachverhalts herauskristallisiert.
    Ich aktivierte den Hytex und rief die Dienstakten der beiden toten Frauen auf.
    Zunächst kümmerte ich mich um das jüngste Opfer, Cynthia Warmuth, und begann mit einem Hytexbild, das bei ihrer Ankunft auf One One One aufgenommen worden war. Wie sich herausstellte, war sie ein hübsches junges Ding gewesen, geschmeidige, frische Züge und blaue Augen, dazu ein vorsichtiges Lächeln und kurzes Haar, gefärbt in allen Farben des Regenbogens. Das Bild hatte sie beim Klettern an einem der aus Seilen geknüpften Netze des Hängemattenkollektivs eingefangen, einen Fuß bereits eine Masche höher als den anderen. Wie alles auf One One One, das allein durch die Sonnen von unten angestrahlt wurde, erweckte sie einen exotischen Eindruck, der sie mit Stolz zu erfüllen schien.
    Über ihren Werdegang fand ich nicht viel mehr als das, was Gibb mir bereits geliefert hatte. Die einzig bemerkenswerte Ergänzung war eine von ihr verfasste Abschlussarbeit, in der sie die von ihr postulierte Unmöglichkeit der Objektivität bei der Erforschung empfindungsfähiger Spezies diskutierte. Neue Dienstverpflichtete schrieben ständig derartige Arbeiten, und die meisten waren wenig originell oder gar vielversprechend. Warmuth plapperte die Grundsätze des Dip Corps nach: Empfindungsfähige Kreaturen können nur von empfindungsfähigen Kreaturen erforscht werden, und empfindungsfähige Kreaturen bringen von Natur aus ihre eigenen Vorurteile in all ihre Studien ein.
    Ich wusste nicht, ob dieser Unsinn unter praktischen Bedingungen zutraf. Im Zuge meiner ganz alltäglichen Arbeit war ich jedoch einer Vielzahl von Diplomaten und Exosoziologen begegnet, die behaupteten, sie seien imstande, intelligente außerirdische Rassen im Auge zu behalten, obwohl sie selbst gerade mal so viel Empfindungsfähigkeit besaßen wie ein Türknauf.
    Gibbs persönliche Bewertungen ihrer Person, in denen sie zurückhaltend gelobt wurde, waren der Akte beigefügt. Sie habe Potenzial, so sagte er, aber sie müsse noch lernen, ihren überzogenen Eifer zu zügeln. Dabei schien es mehr um Persönliches zu gehen und weniger um irgendwelche Probleme in Hinblick auf ihre Fähigkeiten. Bei vier verschiedenen Gelegenheiten hatte sie bei Prüfungen unter seiner Aufsicht genug Punkte erzielt, um sich eine Verkürzung ihrer Vertragslaufzeit zu verdienen. Damit war sie beinahe einen Monat früher vom Haken - gar nicht so viel, wenn man bedachte, wie viele Jahre sie trotzdem noch ableisten musste. Aber nicht schlecht für eine Dienstverpflichtete,

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