Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
Vom Netzwerk:
schuf die verblüffende Illusion, die gemeinsame Stimme erklänge irgendwo im unbestimmten Raum zwischen den beiden.
    Niemand bot mir Hilfe an, als ich mich aufmachte, die Leiter der Hängematte hinunterzuklettern und an Bord zu gehen. Wohl wissend, dass dies eine Form des Respekts und zugleich ein Test war, bei dem sich erweisen sollte, ob ich diesen Respekt verdiente, glitt ich hinab und empfand ein unendliches Gefühl der Erleichterung, als ich in die spezifische Schwerkraft innerhalb des Gleiters eintrat. Auf dem soliden Boden zu stehen war mir nach viel zu vielen Stunden auf dem weichen Material von Hängemattenstadt eine noch viel größere Freude.
    Wie auch immer, ich schien den Test bestanden zu haben.
    Lastogne grinste. »Niemand würde auf den Gedanken kommen, dass Sie erst einen Tag vor Ort sind.«
    »Wie Sie meinen.« Aber ich war nicht darüber erhaben, ein wenig Stolz zu empfinden.
    Als der Gleiter sich von Hängemattenstadt löste und Geschwindigkeit aufnahm, sauste sein Schatten, hervorgebracht von den multiplen Glühsphärensonnen, über den Überwuchs, wo er von der knorrigen Struktur verzerrt wurde. Die Fluggeschwindigkeit dieses Fliegers kam mir höher vor als die des geschwätzigen Gleiters, der mich gestern hergebracht hatte. Ich war mir nicht sicher, ob ich mich über den zusätzlichen Komfort am heutigen Tag freuen oder über die unnötige Verzögerung am gestrigen ärgern sollte. Darüber dachte ich nach, bis der rasende Schatten verschwamm. Dann zwang ich mich, mich wieder auf Lastogne zu konzentrieren. »Wir fliegen nicht auf dem Kurs zurück, auf dem ich gekommen bin.«
    »Sie haben recht«, sagte Lastogne. »Ihr persönlicher Transporter liegt am hinteren Ende des Zentrums. Die beste Route zur Schnittstelle führt durch ein Portal, das uns viel näher ist. Der heutige Flug wird deutlich kürzer werden.«
    Was eine gute Neuigkeit im Hinblick auf meine Flugaversion war und eine schlechte angesichts meiner Hoffnungen, unterwegs ein paar Informationen sammeln zu können. Statt noch mehr Zeit zu vergeuden, stürzte ich mich gleich auf die Befragung der Porrinyards. »Wer von Ihnen ist Oscin, und wer ist Skye?«
    Die Frau gab den ersten Ton von sich. »Ich wurde nur als Skye geboren. Er wurde nur als Oscin geboren.« Nun sprachen sie wieder gemeinsam mit dieser musikalischen, aber nervenaufreibenden geteilten Stimme. »Wir wurden mit fünfzehn Jahren verlinkt und nahmen den Familiennamen Porrinyard an.«
    »Erspart ihnen einen Haufen Geld, wenn sie sich gegenseitig Schmuck mit Monogramm schenken wollen«, kommentierte Lastogne.
    Ich ignorierte ihn. »Haben Sie sich das freiwillig angetan?«
    Das Paar ließ ein identisches Lächeln aufblitzen. »Diese Frage ist kränkend, Counselor, aber wir betrachten Sie als unschuldig.«
    »Das weiß ich zu schätzen.«
    »Ja, wir haben es freiwillig getan. Es war die einzige Möglichkeit für die Individuen Oscin und Skye, sich außerhalb ihrer Welt zum Dienst zu verpflichten und sicherzugehen, dass sie stets zum gleichen Einsatzort abkommandiert werden. Sie dachten damals, sie wären einander nahe. Nun bin ich gänzlich verbunden.«
    Kybernetische Verbindungen, die in den meisten menschlichen Welten verboten waren, gehörten zu den heikleren Dienstleistungen, die die KIquelle Medizintechnik anderen empfindungsfähigen Spezies bot. Im Austausch gegen einen Prozentsatz der zukünftigen Einkünfte war die KIquelle bereit, die Persönlichkeiten zweier Individuen miteinander zu verdrahten und über eine unentwirrbare Sendematrix dauerhaft zu verbinden. In dem Prozess wurden zwei Individuen durch eine vergrößerte Einheit ersetzt, die das Leben als eine verbundene Person erlebte. In der Theorie wurde ihre geistige Leistungsfähigkeit dabei erhöht: Der Bedarf nach wertvollem Raum für redundante Informationen nahm ab, da diese nicht länger von zwei Schädeln bereitgehalten werden mussten.
    Die Praxis der kybernetischen Verlinkung war als Entmenschlichung attackiert worden. Die Befürworter hingegen sagten, damit habe es nichts zu tun. Es zerstöre die Individualität nicht, so erklärten sie, es definiere sie lediglich neu, schaffe neue Personen, indem es diejenigen, die sich infolge einer Trennung als unvollständig empfanden, miteinander vereinte. Alle, die diesen Prozess durchgemacht hatten, behaupteten, er hätte ihr Leben enorm verbessert. Trotzdem gab es nur wenige Paare, die überhaupt kybernetisch verbunden werden wollten, und noch viel weniger, die all

Weitere Kostenlose Bücher