Halbgeist: Roman
vertreiben, sie jedoch in einen weichen, wohlriechenden Blumenteppich hüllte, und blieben während der zwei Minuten, die nötig waren, um Gibb und Lastogne herzurufen, an meiner Seite.
Als Lastogne auftauchte, hielt er gleich an der Zeltklappe wieder inne, um die kleine Truppe Mitarbeiter zu vertreiben, die versuchten, das Zelt zusammen mit ihm zu betreten. Ich hörte Männer und Frauen, von denen ich einige an der Stimme erkannte, die ihn mit Fragen bestürmten. Einige drehten sich darum, ob es mir gut ginge, andere konzentrierten sich darauf, was, zum Teufel, passiert war, wieder andere forderten Aufklärung, ob die Gefahr nun vorüber sei. Er sagte ihnen, sie sollten sich beruhigen und sich zurückhalten. Beiden Aufforderungen kamen sie mit minimalem Protest nach. Er mochte ein lästiger Hurensohn sein, aber er wusste, wie er seiner Autorität Geltung verschaffen konnte.
Als er schließlich hereinkam und die Zeltklappe hinter sich schloss, sah ich, dass er eine Art überlangen grauen Pullover trug, der mit Ausnahme von Händen und Füßen seinen ganzen Körper verhüllte. Verquollene, Schlafmangel offenbarende Augen und eine kreisrunde Stelle nackter, fahler Haut im Bereich seiner Speicherprothese verstärkten den Eindruck, dass er in aller Eile gekommen war. Er glitt über die Leinwand an Oscins Seite und blaffte: »Geht es ihr gut?«
»Sie können ja mal versuchen, sie selbst zu fragen«, sagte ich.
Es gelang ihm nicht recht, seine Verwunderung zu kaschieren. »Verzeihen Sie, Counselor. Sie haben auf mich ein wenig katatonisch gewirkt.«
»Ich leide unter einem Schock, was nicht annähernd das Gleiche ist.«
Seine Lippen kräuselten sich und verrieten eine Mischung aus Ärger und Bewunderung. »Ich bitte um Entschuldigung. Wissen wir wenigstens ansatzweise, was passiert ist?«
Ich verkniff mir einen beißenden Kommentar zu seiner Verwendung des Pronomens »wir«. »Irgendein Lösungsmittel hat meine Hängematte in Konfetti umgewandelt.«
»Wie schnell?«
»Minuten.«
Die Porrinyards, die mich von beiden Seiten einklemmten, rückten noch ein wenig näher heran. »Sie hätte es beinahe nicht mehr herausgeschafft.«
»Ich habe es nicht herausgeschafft«, korrigierte ich. »Sie haben mich rausgezogen.«
Dieser kurze Blick, den ich auf sie hatte erhaschen können, als sie von der Seilbrücke gesprungen waren, hatte mir den ersten Schritt eines wahnwitzig komplizierten Trapezaktes offenbart, den sie in dem Moment ersonnen und ausgeführt hatten, in dem sie gesehen hatten, dass ich abstürzen würde. Oscin hatte sich mit Knien und Fußgelenken an die Brücke geklammert und Skye gesichert, sodass sie im Heraufschwingen ihre Arme unter meine schlingen konnte.
All ihre Bewegungen aus dem Stegreif mit solch einer Perfektion zu koordinieren war für sie kein Problem, bedachte man ihre Fähigkeiten. Mich und meine Tasche während jener zehn Sekunden zu halten, in denen ich auf dem Höhepunkt krampfhafter Panik war, dürfte bedeutend schwieriger gewesen sein.
Beinahe hätten sie mich verloren.
Schlimmer, zumindest aus ihrer Sicht: Oscin hätte beinahe Skye verloren.
Ich hatte mich so wild hin- und hergeworfen, dass Oscins Griff sich von einem von Skyes Fußgelenken gelöst hatte. Ihnen war nur eine Sekunde geblieben, um sich zu entscheiden, ob sie mich fallen lassen oder weiter festhalten sollten.
Ich versuchte mir vorzustellen, wie das für sie gewesen wäre, wäre Skye abgestürzt. Oscins Körper wäre in Sicherheit gewesen, aber er hätte jedes ihrer Gefühle mitempfunden, während sie durch die Wolken gesaust wäre, so wie sie die Empfindungen wahrgenommen hätte, die er erduldete, während er weit über ihr verharrte. Beide Hälften ihrer gemeinsamen Persönlichkeit hätten zugleich Sicherheit und Verdammnis empfunden, während die Hälfte von allem, das sie waren, gestorben wäre. Sie hätten sich nicht einmal abwenden können.
Oscin hätte Skyes Qualen in jedem einzelnen Augenblick gespürt.
Und doch hatte sie mich weiter festgehalten.
Von allem, was ich nicht wusste, lautete die quälendste Frage dieses Augenblicks, wie ich in diesem Punkt empfand.
Lastogne rieb sich mit einer leicht amüsierten Miene, die den Ernst des Augenblicks gleichzeitig anerkannte und verspottete, das Kinn. »Gute Arbeit, Leute. Ich werde mit Gibb sprechen und dafür sorgen, dass eure Vertragslaufzeit gekürzt wird.«
»Nicht nötig, Peyrin. Ich habe das nicht getan, um mir einen Bonus zu verschaffen.«
»Wie schade,
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