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Halbmast

Halbmast

Titel: Halbmast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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rückte zur Seite und ließ ihn neben sich. Nun lagen sie nebeneinander, er schob seinen Arm bis zur Schulter in das Loch und starrte ihr dabei, da er gar nicht anders konnte, in die graugrünenAugen. Er presste die Wange auf den Schiffsboden, konnte seinen Kopf kaum drehen, und sie schien nicht im Traum daran zu denken, ihr Gesicht abzuwenden oder aufzustehen.
    Seine Fingerspitzen fühlten etwas Kühles, Glattes. «Ich glaube, ich hab es.»
    «Wirklich? Das wäre   … Können Sie es greifen?»
    Er versuchte, noch ein wenig tiefer zu gelangen, doch bis auf eine hauchdünne Berührung mit dem gesuchten Objekt konnte er sich nicht nähern. «So nicht! Ich brauche ein Hilfsmittel, ein Stück Draht oder so.»
    Die Frau lachte.
    «Was ist so komisch?»
    «Ich überlege gerade, wie oft im Leben man ein Stück Draht braucht. Man müsste sich eigentlich immer einen einstecken, für alle Fälle, so wie man eine Packung Taschentücher einsteckt.»
    Er verstand, was sie meinte, und musste ebenfalls lachen. «Ich habe schon tausendmal eine Schere vermisst, wenn es drauf ankam. Schere oder Messer.»
    «Sehen Sie? Und Sie haben jetzt auch nichts dergleichen dabei, stimmt’s?»
    «Und? Sie mit Ihrer Lebenserfahrung finden sicher einen Draht in Ihrer Handtasche!»
    «Natürlich nicht. Ich habe ja noch nicht einmal eine Handtasche.» Sie setzte sich aufrecht hin, kreuzte die Beine und schien zu überlegen. Um ihren Hals hing ein schwarzer Lederbeutel, sie griff danach. «Nur eine Fototasche!»
    Die Fotografin. Das musste Carolin Spinnaker sein. Wer lief hier sonst mit einer solch riesigen Fototasche herum? Er hatte sie nicht sofort erkannt. Ein Porträt hatte Pieter ohnehin noch nie von ihr gesehen, Fotografen wurden nur selten abgelichtet. In seiner Vorstellung war sie ihm größererschienen, breiter und kräftiger. Weil sie schon so viel erlebt und gesehen hatte, hatte er nicht mit einer so zierlichen Person gerechnet. Zudem war sein Plan anders gewesen, er hatte ihr erst wesentlich später über den Weg laufen wollen. Eigentlich erst, nachdem sie die Schmidt-Katter-Brücke bei Leerort passiert hatten. So lautete der Plan: Wenn die beiden Zwischenfälle gelaufen sind, näherst du dich Carolin Spinnaker und fädelst ein Kennenlernen ein. Aber vielleicht war dieses wirklich zufällige Zusammentreffen eine viel bessere Ausgangsposition für das, was er geplant hatte.
    Pieter lächelte sie an und zwängte sich weiter in die Öffnung. «Keine Chance, es liegt flach auf dem Untergrund, wenn wir es aufstellen, könnte ich es kriegen», sagte er schließlich, nachdem er wieder nicht mehr als ein kleines Stück Kante gespürt hatte. Er setzte sich ebenfalls hin. «Was ist so wichtig an dem Teil? Können Sie keinen Mechaniker holen?»
    «Ich dachte, Sie wären ein Mechaniker!»
    Pieter schaute an sich herunter. Er trug ein kariertes Flanellhemd, an dem noch das feine Sägemehl seiner Tischlerarbeiten haftete, dann eine Latzhose aus Jeans. «Ich bin Tischler.»
    «Als Tischler haben Sie doch sicher Schraubenzieher oder Zange oder so parat, nicht? Holen Sie es doch mal heraus, ich will es damit versuchen.»
    Er tastete seine Arbeitshose ab und hoffte, dass er tatsächlich etwas in der Art mit sich führte. Sie sollte nicht skeptisch werden, wenn er als Handwerker keinerlei Arbeitszeug dabeihatte. Zum Glück fand er sein Metermaß.
    «Na also, müsste gehen!» Sie klappte die Glieder des Zollstockes auseinander, legte sich erneut auf den Boden des Whirlpools, schob den rechten Arm in das Loch und führte mit der linken Hand den Zollstock. «Es liegt rechts,nicht wahr? Ach, ich bringe links und rechts sowieso immer durcheinander, aber es liegt doch mehr in Ihre Richtung, oder?»
    Pieter hörte sie atmen, sie strengte sich an, immer wenn sie sich nach dem Gerät streckte, atmete sie gepresst aus. Als sie die Augen schloss, um noch konzentrierter ihrem Tastsinn zu folgen, nutzte er die Gelegenheit, ihren Körper zu betrachten. Breitbeinig lag sie auf dem Bauch, ihre Beine stießen sich leicht vom Boden ab, sie hielt die Spannung bis ins Becken. Der Po war fest und wohlgeformt.
    «Wer sind Sie überhaupt?» Es lief gut an. Sie verstanden sich auf Anhieb. Warum also sollte er nicht gleich jetzt damit beginnen, sie in seinen Plan einzubauen? Sie musste ja vorerst nichts davon mitbekommen.
    Doch sie ignorierte ihn, stocherte mit dem Zollstock umher. «Ich hab es!» Ein kurzer Ruck ging durch ihren Körper, dann zog sie erst das Werkzeug und

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