Halbmondnacht
mich hoch. Luft in meine Lunge zu bekommen war richtig mühsam.
Selene krümmte und wand sich unter Rourkes Griff und verschwand. Allmählich war der Witz daran reichlich abgestanden.
Tyler reckte die Schnauze hoch in die Luft und nahm Witterung auf. Dann brach er nach rechts aus. In dem Augenblick, in dem Selene sich materialisierte, schlossen sich seine Kiefer um ihren Hals. Mit Leichtigkeit riss er sie zu Boden. Danny war unmittelbar hinter ihm, umkreiste die beiden und wartete auf den rechten Moment, einzugreifen und seine Zähne ebenfalls in Selene zu schlagen. Tylers und mein Blick trafen sich, exakt in der Sekunde, in der Selene ihn im Nacken packte. »Tschüssie, Wolfsjunge!«
Rote Magielinien spannen ein Netz um ihn, und er flog durch die Luft.
»Nein!« Ich sprintete hinüber, kollidierte mit Tyler und verpasste ihm einen Stoß, der ihn mir aus dem Weg katapultierte. Ehe Selene wieder auf den Füßen war, packte ich sie mit einer Hand vorn am zerfetzten Lederkorsett und zwang sie zurück auf den Boden. Ihre Kehle war aufgerissen. Tyler hatte zugebissen wie ein guter Jäger: Er war ihr an die Gurgel gegangen, hatte seine Zähne tief in ihren Hals geschlagen, darauf aus, seine Beute rasch zu erlegen. Trotzdem heilte die eigentlich tödliche Wunde bereits.
Selene lachte mir ins Gesicht. Ihr Versuch, sich zu dematerialisieren, scheiterte allerdings. »Na, kapierst du endlich, dass du garnicht gewinnen kannst? Ganz egal, was du tust, ich bin mächtiger als du. Ich werde euch wieder und wieder fertigmachen, so lange, bis ihr alle vor mir auf den Knien rutscht und um euer Leben winselt.«
»Träum weiter, Miststück.« Ich holte aus und versenkte die freie Faust tief in ihrer Brusthöhle. Selene japste, ihr Körper krampfte, ihre Miene verriet Überraschung. Auch ich war darauf aus, schnell zu töten. Ich hatte nur keinen blassen Schimmer, wie ich das anstellen sollte. Mich mit ihrem Herzen zu befassen klang nach einer guten Idee. Denn ich hatte nicht die geringste Lust, mich auf eine weitere Runde mit Miss Unterwelt einzulassen. Eine von uns beiden würde aus diesem Kampf hier und jetzt als Siegerin hervorgehen. Ich betete zu allen Heiligen, dass ich das wäre.
»Du miese, kleine Schlampe!«, kreischte Selene und wollte sich losreißen. Magie schwirrte wie ein aufgeschreckter Hornissenschwarm um uns herum, Schwarz und Goldgelb bekämpften einander in dem Bemühen, den jeweils anderen zu bezwingen. Ich musste rasch einen Weg finden, ihre Unsterblichkeit zu töten, ein widersinniges Unterfangen, aber die einzige Möglichkeit, den Sieg davonzutragen. Wäre Selene erst tot, würde sie der Unterwelt gehören. Ihre Aussage, sie könne gar nicht sterben, hielt ich für wahr zumindest, was ihren Körper anging. Aber stürbe ein anderer Teil von ihr, reichte das vielleicht, damit die Dämonen sie holten.
Selene wehrte sich heftig; ich jedoch hielt sie zu Boden gedrückt. Meine Hand schloss sich um ihr Herz. Alles in ihr bäumte sich auf, krümmte und wand sich. Danny knurrte und bellte; aufgeregt umkreiste er Tyler, der gerade dabei war, sich wieder zurück in seine menschliche Gestalt zu verwandeln. Er war nicht mehr in Selenes rotem Magienetz gefangen.
»Ich glaube, ich weiß genau, was du jetzt brauchst«, rief in diesem Augenblick Naomi und warf mir etwas zu.
Ehe ich es aus der Luft fischen konnte, hörte ich ein Gebrüll, das einem Löwen Ehre gemacht hätte, und Rourkes Faust schoss vor. Er kniete sich neben mich. »Lass mich dir helfen«, sagte er, holte aus und stieß Naomis Kreuz tief in die Halswunde, die Tyler Selene gerissen hatte.
Die Mondgöttin gurgelte, kämpfte immer noch. »Du … gewinnst … nicht.« Sie krampfte heftig und blieb dann regungslos liegen. Ihre Magie verflüchtigte sich.
Der Felsendom verwandelte sich in eine Insel der Stille, während der Schwefelgeruch sich verzog.
»Herr im Himmel!«, keuchte ich und wischte mir mit dem Handrücken der freien Hand den Schweiß von der Stirn. »Das war genau das, was wir gebraucht haben.« Mit der anderen Hand hielt ich Selenes Herz fest umschlossen, erlaubte mir keinen Augenblick der Entspannung. Ich spürte es in meiner Hand schlagen. Sie blutete aus ihren Wunden wie ein angestochenes Schwein, jetzt, wo ihre magische Energie auf Null war.
Sie war immer noch bei Bewusstsein, aber nur so gerade eben noch. »Zieh das Ding raus aus mir«, stöhnte sie. »Es bringt mich nicht um. Sobald ich davon befreit bin, kommen meine Kräfte
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