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Halbmondnacht

Halbmondnacht

Titel: Halbmondnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Carlson
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Jetzt verstehe ich gar nichts mehr«, beschwerte ich mich und stemmte die Hände in die Hüften. »Wie zum Teufel kommst du darauf? Das kannst du doch gar nicht wissen! Ich jedenfalls stehe immer noch voll auf dem Schlauch.«
    »Ich weiß es, weil ich mich ein bisschen mit Genetik auskenne. Schon bei normalen Geschwistern ist das Erbgut oft sehr ähnlich. Wir sind Zwillinge, wenn auch zweieiige, und sind zur gleichen Zeit im gleichen Mutterleib herangewachsen. Das heißt, wir werden uns nicht nur genetisch wirklich ähnlich sein, sondern auch epigenetisch.«
    »Und was bedeutet das jetzt?«
    »Das heißt, dein Blut ist meinem so ähnlich, dass es bei mir längst nicht so viel auslösen wird wie bei Danny. Und weil du kein Alpha bist, gibt es keinen Grund für den Gefolgschaftsschwur.«
    »Aber erst als wir die Eidesformel ausgesprochen haben, hat es Danny weggerissen. Davor ist nichts passiert«, wagte ich anzumerken.
    Danny gluckste. »Also, ›weggerissen‹ ist ein bisschen arg dramatisch. Ein   … sagen wir: ein Energieausstoß besonderer Heftigkeit, der allerdings nicht länger als einen Sekundenbruchteilgedauert hat, hat mich kalt erwischt und hintenüberfallen lassen. Aber wie du siehst, habe ich mich vollständig von diesem Schrecken erholt, nein, im Gegenteil: ich fühle mich besser denn je.«
    »Danny hat bisher keinerlei Blutsbande zu dir gehabt«, erklärte Tyler. »Lass es mich so ausdrücken, Jess: Wir zwei sind zu eng miteinander verwandt, um uns im Rang zu unterscheiden, verstehst du? Du warst auf der richtigen Spur: Der Schlüssel zu allem ist, dass dein Geruch in mir nichts auslöst. Wenn wir jetzt Blut miteinander mischen, wird die Verbindung zwischen uns die höchste mögliche Ebene erreichen«, in seinen Augen blitzte es bernsteinfarben. »Dein Blut wird bei meinem genug Veränderung auslösen, um die eingeschworene Verbindung zu meinem Alpha zu unterbrechen, was Dad dann auch sofort spüren wird.«
    »Wie kannst du dir da so sicher sein, zum Henker?«
    »Weil du nicht auf dieselbe Weise mit Dad verbunden bist wie ich. Bist du in deiner Lykanergestalt, kann er dich nicht erreichen und auch nicht kontrollieren.« Tyler fuhr sich durchs Haar und seufzte tief, offenkundig frustriert. »Keine Ahnung, warum ich so lange gebraucht habe, um das zu begreifen. Etwas von der Magie in deinem Blut muss irgendwie die Alpha-Bindung verhindern. Jedenfalls gibst du genau das an mich weiter, wenn wir unser Blut mischen.«
    »Also für mich, mein Lieber, klingt das immer noch viel zu riskant«, bemerkte ich. »Was, wenn du das Band zu Dad nicht mehr erneuern kannst?«
    Tyler zuckte mit den Schultern. »Klar, es ist durchaus möglich, dass das passiert. Aber unser Blut zu mischen kommt mir einfach richtig vor. Wie etwas, das uns die ganzen Jahre über gefehlt hat, so fühlt es sich an, verstehst du? Solange Dad lebt, werde ich das Rudel sowieso nicht übernehmen. Aber ich bin immer noch sein Sohn, trage sein Erbgut in mir. Daran kann nichts und niemand etwas ändern. Mal ehrlich, Jess: Wenn du um mich herum bist, istmein Beschützerinstinkt so groß, dass er mich fast handlungsunfähig macht. Das war schon immer so. Seit wir klein waren, bin ich vor Sorge um dich immer halb wahnsinnig gewesen. Wenn ich hier und jetzt zwischen dir und Dad wählen muss, wähle ich dich.«
    Mit einem Mal schlug mir das Herz bis zum Hals. »Tyler«, haspelte ich hervor, ohne wirklich zu wissen, was ich sagen sollte, »das alles ist   … zu viel für mich. Es ist einfach eine Nummer zu groß. Als ob du zu viel für mich aufgeben würdest. Ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass du deinen Rang im Rudel verlierst.« Aber er hatte recht. Etwas an der ganzen Sache kam auch mir stimmig vor. Doch, richtig, in dem Band zwischen uns hatte all die Jahre etwas gefehlt.
    Bevor ich mir noch mehr Gegenargumente einfallen lassen konnte, hatte Tyler sich die Hand aufgeschlitzt. Den Blick fest auf sein Gesicht gerichtet, streckte ich ihm die Hand entgegen. Fein säuberlich schnitt er mir in die Handfläche.
    »Dann los«, sagte er und nahm meine Hand.
    Er schloss die Augen, und ich folgte seinem Beispiel.
    In dem Augenblick, in dem unser Blut sich mischte, rasten seine Gefühle wie eine Welle durch mich hindurch. Es war ein Moment großer Klarheit. Alles, was wir als Kinder gemeinsam erlebt hatten, spulte sich mit Lichtgeschwindigkeit vor meinem inneren Auge ab. All die Streitigkeiten, die Raufereien, die Liebe, die Geborgenheit. Tyler

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