Halbmondnacht
entladende Energie uns beide rücklings taumeln ließ und ich Dannys Hand loslassen musste, so wie ermeine. Ich fing mich und beugte mich vor, die Hände auf die Oberschenkel gestützt, und schnappte erst einmal nach Luft.
Danny hatte es von den Füßen gerissen.
Ich hob die Hand und begutachtete meine Handfläche. Der Schnitt war bereits vollständig verheilt. Ich wandte den Kopf und suchte Tylers Blick. »Ist das immer so?«
»Scheiße, nein!«, entfuhr es ihm fassungslos. »Danny, was ist passiert? Was hast du gespürt?«
Ohne große Anstrengung erhob sich Danny und wischte sich den Dreck von der ebenfalls wieder verheilten Handfläche. Er blickte mich an, um seinen Mund zuckte es. »Das war der Hammer! So etwas habe ich wirklich noch nie erlebt. Selbst jetzt spüre ich noch dein Blut heiß wie geschmolzenes Glas durch meine Adern fließen. Es ist vollkommen anders als das Blut eures Vaters.« Er wandte sich an Tyler, der wissensdurstig auf mehr Details wartete. »Du hattest recht. Es ist ein Band von ganz anderer Beschaffenheit.«
»Aber was ist sie denn nun?«, bohrte Tyler nach.
»Keinen blassen Schimmer, Kumpel. Aber ich bin wie elektrisiert. Ich fühle mich, als könnte ich es mit der ganzen Welt aufnehmen. Gib mir nur noch ein bisschen Zeit, dann bin ich sogar bereit, dich herauszufordern.« Er ballte die Fäuste und öffnete sie gleich wieder.
Tyler war bestürzt. »Du willst mit mir kämpfen? Um die Rangfolge, echt? «
»Mein Wolf weiß genau, wie stark du bist. Und momentan bin ich dir kräftemäßig überlegen.« Danny lachte leise. »Für alles gibt es ein erstes Mal, nicht wahr?«
Tylers Gesichtsausdruck wechselte schlagartig, als sein Wolf Dannys Kraftpotenzial zum ersten Mal witterte. »Teufel aber auch«, hauchte er.
»Tja, warten wir’s ab, wie wir zueinander stehen, wenn du ihr Blut in dir hast«, frotzelte Danny. »Aber selbst wenn sie kein Alpha ist, ist sie jetzt eindeutig meine Leitwölfin. Meine Bindung an euren Vater wurde in dem Augenblick gelöst, in dem ihr Blut mir die Hand versengt hat.«
Ich richtete mich auf und blickte Tyler geradewegs in die Augen. »Wir lassen das. Ich kann dir unmöglich mein Blut geben.«
Tyler schien immer noch verstört.
»Tyler«, sagte ich und wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht, »hallo-o! Wir rufen Dad an und schildern ihm, was passiert ist. Er wird uns nicht dazu zwingen, den Gefolgschaftseid zu vollziehen. Es ist viel zu riskant.«
Tyler starrte mich an, blinzelte ein paar Mal und erwiderte dann: »Also, dann erlässt er es uns, okay. Aber was dann? Es gibt keine Möglichkeit, meinen Schwur als Selektivhelfer zu brechen, außer es auf genau diese Weise zu tun, nämlich indem ich dir Gefolgschaft schwöre. Ich habe dir schon gesagt, dass ich dich nicht allein weitergehen lasse.« Eigensinnig presste er die Lippen aufeinander. »Wir ziehen das jetzt durch.«
Vor Überraschung klappte mir der Kiefer herunter. »Das ist nicht dein Ernst! Ich habe gerade Danny mit ein paar Tropfen Blut zu Boden geschickt. Wir machen es nicht. Punkt!« Wäre ich noch immer fünf Jahre alt, hätte ich jetzt mit dem Fuß aufgestampft.
»Jess«, entgegnete Tyler mit tiefer, leiser Stimme, »ich habe es jetzt endlich begriffen, das, was Dad gemeint hat.«
»Was soll das denn jetzt wieder heißen? Was meinst du mit ›endlich›? Wir reden darüber seit ziemlich genau drei Minuten«, widersprach ich. »Was kannst du in derart kurzer Zeit herausgefunden haben? Außer vielleicht, dass mein Blut gefährlich für andere ist und ich ein Schild um den Hals tragen sollte mit der Aufschrift: ›Abstand halten!‹«
»Dannys Geruch hat sich verändert.« Er zeigte auf seinen Freund. »Er verströmt jetzt eine minimale Spur Ozon. Es ist nur ein Bruchteil von dem, was deine Witterung ausmacht, kaumwahrnehmbar. Aber es ist unverkennbar.« Ich schnüffelte, was völlig sinnlos war. Ich roch das Ozon nicht an mir selbst; ich würde diese Note an Danny ebenso wenig wahrnehmen, denn auch an ihm war es mein Geruch. »Wenn man sich an seinen Alpha bindet, riecht man danach normalerweise nicht wie der Alpha.«
»Ach, ja?«, meinte ich schnippisch. »Was soll das denn jetzt wieder heißen?«
»Es heißt, dass du dich von einem Alpha unterscheidest. Genau, wie ich es von Anfang an gesagt habe. Danny hat etwas von dir jetzt in sich. Das bringt mich zu folgendem Schluss: Wir brauchen den Gefolgschaftseid nicht zu leisten, damit die Sache zwischen uns funktioniert.«
»Wie bitte?
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