Hale 1 Piraten der Liebe
während sie das erschreckte Mädchen in ihren Armen hin und her wiegte.
Die Geräusche der Schlacht über ihnen wurden immer schrecklicher. Cathy fing an zu weinen und warf sich verzweifelt an Marthas Brust. Sie schluchzte, als sei sie sieben anstatt siebzehn. Martha hielt sie fest, und Cathy beruhigte sich mit der kindlichen Vorstellung, daß ihr nichts passieren könnte, wenn Martha in ihrer Nähe war.
Der Kampf ging weiter, und es schienen Stunden zu vergehen. In der engen Abgeschlossenheit der Kabine verloren Martha und Cathy jedes Gefühl für Zeit. Wegen des furchtbaren Lärm versteckten sie ihre Köpfe unter den Kissen. Plötzlich herrschte Stille.
Einen Moment, der ihnen wie eine Ewigkeit erschien, strengten sich die beiden Frauen an, irgend etwas zu hören, das ihnen über den Ausgang der Schlacht Aufschluß geben könnte. Dann ballte Cathy die Hände und sprang auf. Sie mußte es wissen. Diese Unsicherheit war nicht zum Aushalten. Wie ein Schlafwandler ging sie zur Tür. Martha taumelte hinter ihr her, ergriff sie um die Taille und versuchte, sie zurück in die Kabine zu ziehen.
»Laß mich gehen!« schrie Cathy. »Ich muß hier raus! Ich halte das nicht mehr aus!«
Sie versuchte sich frei zu machen, aber Martha hängte sich mit grimmiger Entschlossenheit an sie. Da erklangen Fußtritte im Gang vor der Kabine. Beide erstarrten, und Augen und Ohren richteten sich auf die Tür. Es gab nur eine Frage: Wer hatte gewonnen? Die Mannschaft der >Anna Greer< oder die Piraten?
Jemand, der versuchte von außen hineinzukommen, rüttelte jetzt an der verschlossenen Tür. »He, Quincy, es ist verschlossen! Komm hierher!« Die Stimme war laut und aufgeregt.
Cathy schluckte, und ihre Knie wurden plötzlich schwach. Sie sank zurück auf das Bett und klammerte sich hilfesuchend an Martha. Diese Stimme mit dem näselnden Akzent gehörte sicher nicht einem von ihrer Mannschaft. Also hatten die Piraten das Schiff erobert!
»Alles wird gut, Miß Cathy«, wisperte Martha ängstlich. »Gott wird mit uns sein. Du bist jetzt ganz still und versteckst dich in der Garderobe. Deine Martha wird sich um sie kümmern!«
Cathy protestierte unter Tränen, aber Martha zog sie hinüber zu dem hohen Eichenschrank und schob sie hinein. Cathy stolperte und fiel in die erstickende Dunkelheit. Es war kaum Platz genug, um aufrecht zu stehen. Lautlos schloß Martha die Schranktür, und Cathy hörte, wie das Schloß einklinkte. Sie wimmert wie ein kleines, verängstigtes Tier. Martha flüsterte ihr durch das dünne Holz beruhigende Worte zu.
»Alles wird gut, meine Liebe. Du wirst sehen. Sei nur still, Martha ist ja da. «
Cathy hörte, wie sich Marthas Schritte von der Garderobe entfernten. Sie war jetzt allein in dem winzigen Raum und voller Schrecken. Sie zitterte vor Angst und mußte beide Hände fest gegen ihren Mund pressen, um ihr Schluchzen zu unterdrücken. Ihr Herz schlug so laut, daß sie sicher war, ihre Brust müsse jeden Augenblick zerspringen. Sie konnte hören, daß die Piraten draußen im Gang jetzt anfingen, gegen die Tür zu hämmern.
»Sofort aufmachen da drinnen! « ordnete die Stimme mit dem starken Akzent an.
»Öffnen Sie, oder wir schießen auf die Tür! «
Jetzt begannen die Piraten auch noch, die Tür einzuschlagen!
Cathy sank auf die Knie, denn ihre Beine schienen sich plötzlich in Wasser verwandelt zu haben. Ihre Zähne klapperten vor Angst.
»Bitte, Gott«, flehte sie außer sich. »Oh! Bitte! «
Ein neuer Krach erschütterte die Kabine. Dann noch einer. Und wieder! Als schließlich der Klang von zersplitterndem Holz den Eindringling ankündigte, dachte Cathy, sie würde ihn Ohnmacht fallen. Nur der Gedanke, hilflos in die Hände von Wilden zu fallen, hielt sie bei Bewußtsein. Tränen rannen über ihre Wangen.
Sie stopfte sich ein Tuch in den Mund, um den Klang ihres heftigen Atems zu ersticken.
»Ich muß ruhig bleiben«, befahl sie sich fest. »Wenn ich irgendein Geräusch mache, werden sie mich sicher finden.«
Dann hörte sie, wie die Piraten mit schwerem Tritt in den Raum kamen. Marthas Stimme war jetzt schrill vor Angst, während sie die Eindringlinge beschimpfte.
»Verschwindet, ihr Gottlosen!« schrie Martha. »Gott wird euch strafen!«
Marthas Worte endeten in einem Gurgeln. Ein Schuß ertönte und dann gab es einen Aufprall, so als sei etwas Schweres auf den Boden gefallen.
»O Gott, nein, nein!« schluchzte Cathy und wollte Martha zu Hilfe eilen. Doch sie wußte, daß das nichts
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