Hale 2 Freibeuter des Herzens
hinaus.
Als sie die Cristobel erreichten, packte Tinker die Tasche und kletterte die Strickleiter hinauf, die zu ihnen herabgelassen wurde. Ihm folgte O'Reilly, dessen Angebot, Jon mit dem Teppich zu helfen, abgewiesen worden war. Jon, den Teppich wieder auf der Schulter, folgte als letzter, und hinter ihm wurde die Leiter wieder hochgezogen.
Auf Deck wimmelte es vor Leuten, die ihr Bestes gaben, um das Schiff weiterzusegeln. Nur wenige der ehemaligen Sträflinge waren erfahrene Seeleute, die man als Crew bezeichnen konnte. Die anderen waren zumindest bereit, zu lernen, alle anderen hatte Jon aussortiert und mit der ehemaligen Crew, deren Kapitän und den weiblichen Gefangenen an Land ausgesetzt. Jon wußte, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis die Neuigkeiten der Meuterei nach England gelangten, und man ihnen Schiffe nachsenden würde. Bis dahin hoffte er, mit der Cristobel weit genug weg zu sein.
Mit großen Schritten marschierte Jon zur Kapitänskajüte unter dem Achterdeck. Da er der einzige war, der vorher schon einmal ein Schiff dieser Größe befehligt hatte, war er zum Kapitän bestimmt worden. Aber von Anfang an hatte er allen klargemacht, daß er strikten Gehorsam erwartete. Inzwischen hatten die Männer seine Kenntnisse, seine Fairneß und seine Körpergröße respektieren gelernt, und es hatte wenig Probleme gegeben. Diejenigen, die auf Ärger aus waren, hatte er ebenfalls eingesperrt und später an Land ausgesetzt. Aus seiner Erfahrung als Piratenkapitän hatte er gelernt, daß eine Meuterei wie die Masern war: ansteckend. Es war zu einer Meuterei auf der Cristobel gekommen, und er war fest entschlossen, dafür zu sorgen, daß es dabei blieb.
Die Kapitänskajüte war klein und dreckig, wie alles auf dem Schiff. Außer der Koje bildeten ein häßlicher Kohleofen, ein am Boden verankerter Tisch und zwei Stühle die einzigen Einrichtungsgegenstände. Die Koje bestand aus einem harten, schmalen Bett, das direkt in die Wand eingelassen und äußerst unbequem war. Das hatte er in der Woche, in der er darauf geschlafen hatte, bereits zu spüren bekommen.
Nachdem er hinter sich die Tür geschlossen hatte, steckte Jon eine Kerze an. Dann senkte er den Teppich mit Cathy auf den staubigen Boden und stellte sie auf die Füße. Langsam wickelte er sie aus dem Teppich aus. Der Knebel in ihrem Mund hielt sie davon ab, zu sprechen, aber ihre Augen sprachen Bände. Wenn Blicke töten könnten, schoß es Jon durch den Kopf, würde er im nächsten Augenblick tot umfallen. Wenn er mit ihr fertig war, würde sie sich wünschen, diese Fähigkeit zu besitzen!
»Ich werde dir jetzt den Knebel aus dem Mund nehmen, aber ich warne dich: Wenn du Ärger machst, ist er blitzschnell wieder an der alten Stelle. Und dann lasse ich ihn drin. Kapiert? «
In ihren Augen war noch immer Mordlust zu erkennen, aber nach einem kurzen Augenblick des Zögerns nickte sie.
Kaum hatte er sie von ihrem Knebel befreit, begann sie ihn zu beschimpfen.
»Diesmal hast du wohl wirklich den Verstand verloren, Jonathan Hale! « spuckte sie aus und fuhr sich mit der Zunge über die ausgetrockneten Lippen. Wie kannst du es wagen, mich so zu behandeln? Du bist ein niederträchtiges, verabscheuungswürdiges, dummes Schwein, und hätte ich auch nur ein wenig Grips besessen, hätte ich dich hängen lassen sollen! «
»Und, warum hast du nicht? Ich muß zugeben, diese Sache hat mich in der Tat beschäftigt. Was ist geschehen, Cathy? Hat dir der Gedanke, ich könnte gehängt werden, tatsächlich Gewissensbisse verursacht? Hast du und dein Harold deshalb dafür gesorgt, daß ich wegtransportiert und als Sklave verkauft werden sollte? Sauber ausgedacht. Damit war deine befleckte Vergangenheit sicher und für immer beseitigt, ohne daß du deine blütenweißen Händchen mit Blut befleckt hast. Sag, rein aus Neugier, wie hast du denn vor, Cray loszuwerden? «
»Das ist das Schmutzigste, was einem Menschen einfallen kann! « Cathy war vor Wut fast sprachlos. »Du weißt ganz genau, daß ich Cray mehr als alles andere auf der Welt liebe! Ich würde ihn nie loswerden wollen, wie du es ausdrückst. Und ich habe dich geliebt! Ich hoffe, dir fällt auf, daß ich sagte, ich habe dich geliebt! Vergangenheit! Denn nach dem, wie du mich heute behandelt hast, beginne ich mich zu fragen, ob ich dich überhaupt jemals gekannt habe! «
»Und als nächstes wirst du mir vermutlich einreden wollen, daß du alles nur aus Liebe zu mir getan hast? « sagte er
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