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Halloween

Halloween

Titel: Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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gebeamt, durch die kugelsicheren Fenster und ins Büro des Direktors, wo wir uns hinter Mr. Fischer (Käpt’n Hook!) stellen, während er auf seiner Schreibunterlage die Bekanntmachungen dieses Morgens durchgeht. Er nippt an seinem Kaffee und entscheidet sich gegen eine schulweite Schweigeminute. Es hat keinen Sinn, das den Kindern noch einmal zuzumuten.
    Doch er findet es falsch, unserer überhaupt nicht zu gedenken. Vielleicht mit einem Bild im Trophäenschrank. Eine Steinbank, in die unsere Namen eingemeißelt sind. Etwas Geschmackvolles und Unaufdringliches.
    (Interessant, denn er kennt unsere Namen und Gesichternicht. Sie sind ihm entfallen, verloren gegangen inmitten von Hunderten anderer Jugendlicher, die die Schule normal beendet haben, Jugendliche, die nicht jede Woche in seinem Büro waren, die weder Feldhockeystars noch Hauptdarsteller in den blöden Musicals oder Mitglieder der National Honor Society waren. Jugendliche, die in den hinteren Reihen saßen und den Turnunterricht schwänzten. Jugendliche, die nicht auffielen. Hook kennt uns nicht besser als du – wir sind die Jugendlichen von dem Autounfall –, aber da er der Schulleiter ist, fühlt er sich verantwortlich, ein distanzierter Ersatzvater.)
    Nächste Woche findet der Verkehrsunterricht statt, gefördert von der Polizei, aber es dort anzusprechen wäre zu offensichtlich. Er fährt mit der Spitze seines Füllers die Seite entlang – es werden Karten für den Herbstball verkauft, der Schachclub trifft sich nach der Schule in der Bücherei, um vier findet ein Volleyballspiel der Unterstufenauswahl gegen Simsbury statt. Wir passen nirgends rein; es gibt keine einfache Überleitung. Am Ende wird er bloß alle daran erinnern, heute Abend bitte vorsichtig zu sein, und wird ihnen ein fröhliches Halloween wünschen.
     
    Es ist nicht das letzte Mal, dass Tim das Haus verlässt – er wird nach der Schule nochmal vorbeikommen und noch eine Hand voll Kekse essen, wird aus demselben Patriots-Glas aus der Tankstelle einen Orangensaft trinken – aber es ist das letzte Mal, dass er seine Mom und seinen Dad sieht, und diesen Moment will er nicht vergeuden. Er würde ihnen gern sagen, dass es nicht ihre Schuld ist (so, wie Danielle ihm zu sagen versucht, dass es nicht seine ist, so, wie wir Toe keinen Vorwurf machen), und während des ganzen Frühstücks ist er nervös und fühlt sich hundeelend. Der kleine Fernseher läuft, Scott Haney stellt Mutmaßungen übers Wochenendwetter an und lacht völlig grundlos. Tim quält sich durch seine Cornflakes, und die Milch wirkt wie Säure, wenn sie mit seiner Magenschleimhaut in Berührung kommt. Es istwichtig, sich genau an den Plan zu halten, und er blickt auf die Uhr. Die Zeit treibt ihn voran, er darf bloß nicht vom vorgezeichneten Weg abweichen.
    Damals ist er zu spät gekommen, wie jeden Tag, denn Toes Wecker hatte eine Schlummertaste. Toe schlug drauf und wälzte sich auf die andere Seite, nur noch fünf Minuten. (Niemand weiß das besser als Brooks, der für seinen dicken Bericht alle Leute befragt hat, die in den letzten vierundzwanzig Stunden vor dem Unfall mit uns in Berührung gekommen sind.) Deshalb hat Tim das Gefühl, früh dran zu sein. Er kann noch ein paar Minuten mit seiner Familie verbringen, vielleicht ist das später wichtig für sie. Aber sie tun nichts Besonderes, und wenn er etwas tun würde – sie berühren, sie umarmen –, könnte das Verdacht erregen. Jim Carrey ist gerade im Fernsehen, er kaspert in den Kulissen eines Wohnzimmers rum und wirbt für seinen neuen Film; in der Küche ist nur seine Stimme zu hören, als wären sie einverstanden, dass er das Regiment über ihr Leben übernimmt.
    Beim Frühstück schien mit ihm noch alles in Ordnung zu sein, werden sie zueinander sagen, wenn die Nachbarn es nicht hören können.
    Wie kann er sie in Zukunft davon abhalten, alles als Anhaltspunkt zu betrachten? Denn das werden sie tun, auch wenn er durch Danielle weiß, dass es sinnlos ist. Er wird keine Nachricht hinterlassen (könnte er irgendwas sagen, das sie nicht niederschmettern würde?), deshalb ist alles, was er jetzt sagt, besonders wichtig, es wird sie an ihn erinnern.
    «Wir haben zum Abendessen noch Pasta übrig», sagt seine Mom, nachdem sie im Kühlschrank nachgeschaut hat. «Wenn keiner was dagegen hat.»
    «O toll», witzelt sein Dad und zieht eine Grimasse, und aus Gewohnheit spielt Tim mit und streckt die Zunge raus, igitt. Warum ist er urplötzlich traurig? Alles ist eine

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