Halloween
sich wie ein Außenseiter, vielleicht sogar wie ein Verbrecher, die im Holster steckende Pistole unter seinem Arm illegal, eine potentielle Mordwaffe. Weil sein Leben meilenweit entfernt ist von dem dieser Leute und es sich in die falsche Richtung bewegt. Weil sie alles haben und er hat – was? Ein Haus, das er nicht verkaufen kann. Warum sollte er sie beschützen, bloß weil er das mal geschworen hat? Melissa hat geschworen, dass sie für immer mit ihm leben würde, und wo ist sie? Er kann verstehen, warum ein Typ ins Büro geht und alle Leute umbringt, mit denen er jahrelang zusammengearbeitet hat; diese Typen denken, dass man ihnen etwas vorenthält, das sie verdient haben.
Und was hat er verdient?
(Uns. Tut uns Leid, Brooksie, Gerechtigkeit muss sein.)
Er kann keine Antwort geben, weil er es nicht weiß (weil Melissa Recht hat, das ist der Grund), und während er die Frage noch auf sich wirken lässt, fliegt vor dem Pick-up eine Krähe auf, streift die Motorhaube und schrammt dicht an der Windschutzscheibe vorbei. Brooks macht eine Vollbremsung, aus Angst, er könnte die Krähe erwischen – großer schwarzer Unglücksvogel –, und als sie durch den Wald davonfliegt, fragt er sich, ob es wirklich ein Vorzeichen war oder ob er bloß nervös ist, die Nerven blank, weil er die ganze Nacht wach war.
Er öffnet das Fenster und spuckt in Richtung der Krähe, ein Aberglaube, den er von Gram übernommen hat. Heute geht er kein Risiko ein.
(Ich schwöre bei Gott, das waren wir nicht.)
Brooks will jetzt bloß noch nach Hause, damit er Ginger und Skip rauslassen und füttern kann. Er hat keine Angst, dafür ist er zu müde. Er will was Anständiges essen und dann schlafen, gestern vergangen sein lassen, einen Augenblick lang vergessen, dass wir heute auf ihn warten. Er biegt rechts in den Crestview Drive, nochmal rechts in den Woodhaven Drive und dann links auf den Musket Trail, die Häuser jetzt kleiner, heruntergekommene Bungalows und alte Vorstadthäuser – ein Grund, warum er seins nicht loswerden kann (außerdem kommen noch die rissige Einfahrt und die feuchten Schindeln hinzu). Rechts in den Steeplechase Drive, und dann sucht er seinen Briefkasten, bereit, wie ein Jagdbomber nach den drei roten Reflektoren Ausschau zu halten, aber er kann sie nirgends entdecken. Er ist schon am Haus der Bonners vorbei, inzwischen müsste er ihn eigentlich sehen können.
Und dann sieht er, warum nicht – der Briefkasten liegt zertrümmert im Gras, der Pfosten kopflos, enthauptet.
Brooks fährt langsamer, darauf gefasst, dass die Bäume mit Toilettenpapier umwickelt sind, die Fenster verklebt mit Eigelb, aber das ist alles. Er hält am Fuß der Einfahrt und springt aus dem Wagen. Der Briefkasten ist in der Mitte verbogen, keine Ahnung, was sie dazu benutzt haben, das Metall eingedellt. Wer das getan hat, hat es ernst gemeint.
(Travis und Greg, sagt Toe.
Und du hast es zugelassen, sagt Danielle.
Was sollte ich denn tun?)
Zuerst ist Brooks eher überrascht als wütend (wütend, dass er überrascht ist), aber er kann es nicht mit einem Schulterzucken abtun, nicht wie die Krähe. Es spielt keine Rolle, dass Cabbage Night war; das hier ist eine Botschaft für ihn, und er weiß, was siebedeutet. Er hört, wie Ginger und Skip ihn warnen – wahrscheinlich haben sie die ganze Nacht lang gebellt.
Er hebt den zerknautschten Briefkasten auf, wirft ihn auf die Ladefläche, steigt wieder ein und rast die Einfahrt rauf. Als er bremst, knallt der Briefkasten direkt hinter ihm gegen die Plastikauskleidung, und jetzt ist er sauer, jetzt ist er stinksauer. Er schlägt die Tür zu und schnappt sich den Briefkasten, rammt den Schlüssel in die Haustür und drückt sie mit der Schulter auf. «Zurück!», befiehlt er Ginger und Skip, und zuerst beschweren sich die beiden, aber dann ergreifen sie die Flucht und machen, dass sie wegkommen. Auf dem Weg in die Küche (wie immer blitzsauber wegen Charity) treibt er sie auseinander, dann reißt er den Deckel vom Abfall und stopft den Briefkasten in den fast vollen Eimer. Er tritt danach, und der Müll quillt raus, er tritt nochmal danach, und der Eimer prallt gegen das Küchenschränkchen. Brooks folgt ihm in die Ecke und traktiert ihn, trampelt drauf rum, bis er völlig verbeult ist, und baut sich dann keuchend davor auf, immer noch wütend.
«Leck mich», sagt er zu niemand Bestimmtem. «Leck mich doch», sagt er zu allem und jedem.
Und so werden wir durch die halbe Stadt zur Highschool
Weitere Kostenlose Bücher