Halo - Tochter der Freiheit
Perikles zu den Athenern und sagte, wie schon so oft: »Früher oder später wird es den Spartanern langweilig, und sie werden abziehen. Dann können alle wieder hinaus, das Land wieder aufbauen und wieder ihr normales Leben führen.«
Drüben bei Acharnes sagte Archidamus seinen jungen Männern, wie schon so oft: »Früher oder später werden die Leute von Acharnes die Geduld verlieren, und sie werden herausstürmen und gegen uns kämpfen. Dann werden wir sie schlagen.«
»Das ist wie bei einem Blickgefecht«, sagte Halo zu Arko.
»Ich hoffe nur, dass sie bald aufgeben und nach Hause gehen«, antwortete ihr Stiefbruder.
Und nach zwei Monaten Belagerung – in denen sie Perikles ihr Geheimnis immer noch nicht anvertraut hatte, sie immer noch nicht wusste, wo Mantiklas war und ob er die Zentauren gefunden hatte, und sie und Arko tagaus, tagein untätig herumsitzen mussten – nach zwei Monaten gaben die Spartaner auf und zogen ab. Archidamus hatte die Geduld verloren. Perikles hatte die Partie gewonnen.
»Das war es also?«, fragte Halo. »Es ist vorbei?«
»Oh nein«, sagte Aspasia, »sie werden wiederkommen. Das war nur der Anfang.«
Dann sollten wir schleunigst nach Thessalien aufbrechen.
ΚΑΠΙΤΕΛ 26
Es schien wirklich zu Ende zu sein.
Noch am selben Tag, an dem die Spartaner abzogen, rannten Halo und Arko hinaus vor die Tore Athens. Sie lachten, alberten herum und freuten sich, dass die monatelange Abgeschlossenheit in der übel riechenden, überfüllten Stadt vorbei war. Die Landstraßen waren überfüllt von Menschen, die wieder nach Hause gingen. Es herrschte eine Feststimmung, und die Leute waren glücklich.
Doch beim Anblick der zerstörten Höfe und Felder hielten sie entsetzt inne. Gemüsefelder waren ausgetrocknet, Weinreben ausgerissen, Bäume niedergebrannt. Im Frühjahr war das Land so kraftvoll und fruchtbar gewesen, alles hatte geblüht und gegrünt, nun war alles verdorrt und verwüstet. Die Bauernfamilien standen in den Ruinen ihrer Häuser, verstört und ungläubig. Was sollten sie jetzt tun? Manche packten sogleich an und machten sich mutig ans Aufräumen, gruben ihre Felder um und überlegten, was sie so spät im Jahr noch anpflanzen konnten. Halo und Arko wanderten über das Land und sahen sich um, während die Bauern versuchten, so gut es ging, die Schäden zu beheben.
Am nächsten Tag gingen sie zum Hafen von Piräus hinunter, wo Perikles wie versprochen eine Hundertschaft athenischer Trieren zur Peloponnes losschickte, um die Küsten Spartas und seiner Verbündeten zu verwüsten. Halo und Arko sahen die Schiffe im Hafen liegen und erinnerten sich daran, wie Kyllaros ihnen, als sie klein waren, die Schiffe von den Klippen aus gezeigt hatte. Damals waren ihnen die dreifachen Ruderreihen wie Insektenbeine vorgekommen. Aus der Nähe erkannten sie jetzt deutlich die gewichtige Spitze, den Rammbock am Bug, der wie eine Haifischflosse aus dem Wasser ragte, bereit, jederzeit die Flanke eines feindlichen Schiffes zu attackieren, es aufzuschlitzen und zum Sinken zu bringen.
Halo sah auf das Meer hinaus, auf die Schiffe und die Inseln in der Ferne. Sie sah die springenden Delphine und die luftigen weißen Schaumkronen auf den Wellen. Sie dachte an die Tiefen des Meeres und an Ertrinken.
Es war an der Zeit, sich mit dem Tod ihrer Eltern abzufinden.
»Komm, wir wollen zum Kap Sounion gehen!«, sagte sie plötzlich. »Jetzt gleich.«
»In Ordnung«, sagte Arko.
Sie rannten los und hielten vorüberfahrende Fuhrwerke an, die auf dem Weg zu den Silberminen von Laurion waren. Die Straßen waren überfüllt. Jeder wollte die untätige Zeit der spartanischen Belagerung irgendwie wieder wettmachen.
Sie hatten vielleicht die halbe Strecke zurückgelegt, als Arko fragte: »Übrigens, was wollen wir dort eigentlich?«
»Ich möchte mit Poseidon sprechen«, erwiderte Halo. »Wir gehen zu seinem neuen Tempel.«
Das große Kap von Sounion grenzte im Südosten an die unruhige See. Halo hatte die Ägäis noch nie gesehen und war begeistert vom Farbspiel des glitzernden Wassers, von der unaussprechlichen Schönheit der vielen Inseln, von der Nachmittagssonne, die den Wellen silberne Tupfen malte, von den Felsen, den Fischen und überhaupt von der Herrlichkeit der Welt.
Ohne eine Pause zu machen, gestärkt von der sie umgebenden Schönheit, erklommen die beiden den Hügel zu dem gleißenden neuen Tempel. In all seiner dramatischen Pracht lag er vor ihnen, von der Abendsonne golden überstrahlt.
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