Halo - Tochter der Freiheit
Arko. »Er hat sich deiner erbarmt …«
»Es ist ein Wunder«, hauchte Halo und setzte sich mit weichen Knien in den Sand.
»Ja, du hast recht«, Arko nickte.
Der Delphin drehte sich und hüpfte, tauchte unter und wieder auf, immer wieder und wieder, bis die dunkle Nacht ihn verschluckt hatte. Nur das Glimmen der phosphoreszierenden Tropfen verrieten ihnen noch, wo er sich befand. Und dann verschwand auch das, blitzte ein letztes Mal auf und verblich.
Halo legte die Hand auf den Mund und flüsterte ein ums andere Mal: »Danke, danke, danke.«
»Aber deine Eule!«, sagte Arko, als sie am nächsten Morgen, steif vor Kälte und benommen von der Nacht am Strand, nach Athen zurückwanderten.
»Meine Eule ist nicht wichtig«, sagte Halo. »Ich habe jetzt meinen Frieden. Ich weiß, dass es ihnen gut geht.«
»Ja, trotzdem ist es ein Jammer«, meinte Arko.
»Nein, das ist es nicht«, entgegnete sie fest. Sie hatte immer noch die Lederschnur um den Hals, die vom jahrelangen Tragen glatt und glänzend war. Natürlich war sie traurig wegen der Eule. Trotzdem – es hatte sein müssen. Mit diesem Opfer hatte sie Poseidon zeigen können, wie ernst es ihr war. Und Poseidon hatte es wahrgenommen und geantwortet.
»Und nun ist es Zeit, nach Norden aufzubrechen«, sagte Halo.
»Willst du wirklich mitkommen?«, fragte Arko. »Du gehörst doch jetzt zu Athen, du hast dort Familie.«
»Nur zur Hälfte gehöre ich dahin«, entgegnete sie. »Die andere Hälfte gehört zu den Zentauren, und dann gehöre ich noch halb zum Volk meiner Mutter, wer immer das ist …«
»Das wären schon eineinhalb Personen …«
»So bin ich eben«, erwiderte sie und grinste.
»Du kannst nicht gehen«, sagte Aspasia, »das ist viel zu gefährlich. Du kannst nicht einfach so fortgehen. Du bist ein Kind. Halo – du bist ein Mädchen!«
»Na und?«, widersprach Halo. »Darum geht es doch gerade. Ich bin nach Athen gekommen, um herauszufinden, wer meine Eltern waren. Ich habe sie gefunden und ihnen Ehre erwiesen. Jetzt muss ich wieder gehen … es gibt Gründe dafür. Außerdem ist Arko dabei. Wir werden es schon schaffen.«
»Und was soll ich Perikles sagen?«, flüsterte Aspasia.
»Sag ihm, dass ich wiederkommen werde«, antwortete Halo und küsste sie zum Abschied.
Nach all ihren bisherigen Abenteuern machte sich Halo auf Hunger, Durst und Gefahren gefasst – doch die Reise verlief ganz unbeschwert.
Aspasia gab ihnen Essen und Decken, Wasser und Geld, Seife und eine Landkarte mit. Außerdem Reisestiefel für Halo und einen neuen Umhang für Arko. »Im Norden kann es kalt werden«, sagte sie.
Halo packte alles zusammen, und Arko warf sich die Taschen über den Rücken. Sie waren gut gerüstet. Sie wussten, welchen Weg sie einschlagen mussten, und niemand versuchte, sie zu entführen, denn wer Arkos Tätowierung las und seine Muskeln und Hufe zu sehen bekam, ließ schnell von ihnen ab. Sie wanderten in der Kühle des Morgens und des Abends und schliefen während der Hitze des Tages. Sie unterhielten sich stundenlang, schwammen im Meer oder trotteten in geschwisterlicher Eintracht schweigend nebeneinander her. Wenn Halo müde wurde, durfte sie auf Arkos Rücken reiten. Dann kam sie sich wieder vor wie ein Kind. Und wenn sie schliefen, schliefen sie aneinandergekuschelt unter freiem Himmel, wie damals, als sie klein waren.
Sie trafen Bauern, die ihre Höfe wieder aufbauten, und Viehherden, die aus ihrem Exil auf Euböa nach Attika zurückgebracht wurden. Sie sahen das Schlachtfeld bei den Thermopylen und das Denkmal, das der gefallenen Spartaner gedachte. Dort blieben sie stehen und lasen die Inschrift:
»Wanderer, kommst du nach Sparta,
verkündige dorten, du habest uns hier liegen gesehn,
wie das Gesetz es befahl.«
Damals hatten dreihundert spartanische Hopliten zwei Tage und Nächte lang die gesamte persische Armee aufgehalten und so Griechenland vor der Invasion gerettet. Alle waren gestorben.
»Denkst du immer noch an deine spartanische Kröte?«, fragte Arko an diesem Abend.
»Ja«, sagte sie nur, denn mehr brachte sie nicht heraus. Und in dieser Nacht träumte sie von Leonidas.
Bald hatten sie Thessalien erreicht und wanderten durch die finsteren, nie enden wollenden Wälder. Wie leicht es ist, mutig zu sein, wenn man einen Freund und Bruder an der Seite hat, dachte sie. Die Wölfe und Schatten und Skorpione machten ihr keine Angst mehr.
Die Dörfer der Menschen, waren leicht zu finden, die der
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