Halo - Tochter der Freiheit
Rücken. Er war schwer, aber Ivy war ein starkes Tier und würde auch mit ihm wieder auf die Beine kommen. Sie schob Leonidas zurecht, so gut es ging. Behutsam stand Ivy auf. Halo wickelte Leonidas’ Helm und Schild in ihren Umhang und band das Bündel hinter ihm auf dem Pferd fest.
»Gut, gut …«, murmelte sie, nicht nur um Ivy zu beruhigen, sondern auch sich selbst. Als Ivy wieder fest auf allen vier Beinen stand, schwang sich Halo hinter Leonidas auf ihren Rücken. Leonidas hing quer vor ihr, deshalb würde sie nur sehr langsam reiten können, damit er nicht vom Pferd rutschte. Noch einmal wollte sie ihn nicht hinaufwälzen müssen, so viel war sicher.
Oh, Götter, was ist, wenn die Skythen zurückkommen? Was werden sie tun, wenn sie sehen, was ich hier mache? Was mache ich überhaupt?
Sie packte Leonidas’ Ledergürtel, in dem noch sein Schwert und sein Messer steckten, und schnalzte mit der Zunge. Ivy setzte sich in Bewegung. Halo hatte keine Ahnung, wohin sie ritt. Jedenfalls weg von Athen, vielleicht nach Norden? Sie würde sich an die Nebenstraßen und Feldwege halten und einen großen Bogen um die Dörfer machen. Vielleicht würde sie irgendwo einen verlassenen Bauernhof mit einem Brunnen finden. Bestimmt gab es solche Höfe …
Sie würde Leonidas helfen zu überleben, und nur darum ging es.
Schon bald kam sie an mehreren Höfen vorbei, die gut geeignet für ein Krankenlager gewesen wären, aber alle lagen zu nahe bei der Stadt. Halo wollte nicht riskieren, dass die Skythen sie schon am nächsten Tag aufspürten, deshalb musste sie weiter weg. Weiter als Acharnes, dachte sie. Dort hatten die Spartaner das Land sehr gründlich verwüstet, und es würden sich in der nächsten Zeit nur wenige Menschen dorthin wagen. Aber sie musste bald etwas finden. Es konnte sein, dass auch noch Spartaner durch die Gegend zogen, und ihnen durfte sie auf keinen Fall begegnen.
Was sie wohl nach den Gesetzen Spartas mit einem der Ihren tun, einem richtigen spartanischen Hopliten, wenn er sich die Pest geholt hatte?
Plötzlich wurde Halo klar, warum sich Leonidas hier draußen aufgehalten hatte, so weit von seinen Truppen und seinen Waffenbrüdern entfernt: Trotz seiner harten Ausbildung, seiner unbeirrbaren Treue zu Sparta war er desertiert. Wahrscheinlich hatte er schon sehr frühzeitig gespürt, dass er krank wurde. Ihm war klar geworden, dass ihn die Pest befallen hatte, und er wollte verhindern, dass sich die anderen Spartaner ansteckten. Also hatte er beschlossen, sich irgendwo draußen in dem verwüsteten Land, weit entfernt von seiner Heimat, dem grauenvollen Pesttod zu stellen.
Sie packte seinen Gürtel ein wenig fester.
Er wird sowieso sterben , flüsterte eine hässliche kleine Stimme in ihrem Kopf.
Das ist mir egal , zischte sie in Gedanken zurück. Er hat mir mindestens dreimal das Leben gerettet. Ich tue alles für ihn.
Nach ein paar Stunden, als der Mond bereits hoch über der im Abendtau glänzenden Ebene hing und die Olivenbäume mit silbernem Licht übergoss, sah sie die dunklen Umrisse einer Hausruine hinter einer Lehmziegelmauer aufragen. Wie schwarze Finger hoben sich zwei Zypressen vom sternenübersäten Nachthimmel ab. Es waren keine Lichter zu sehen; nichts war zu hören. Hier können wir bleiben , dachte sie.
Sie ritt in den Hof und entdeckte einen Brunnen. Um sie her war alles still, und was im Schatten des Mondlichts lag, war schwarz wie die Nacht selbst. Im Gemüsegarten lagen verschrumpelte Kürbisse wie Schädel auf der ausgedorrten Erde, und die Weinreben rankten sich wild nach allen Richtungen, als suchten sie nach ihrem Weinbauern. Der Hof war verlassen, so viel war klar.
Halo befahl Ivy, still stehen zu bleiben, schwang sich vom Pferd und näherte sich vorsichtig der Haustür. Schon beim ersten Fußtritt flog sie auf. Das Haus war völlig verwahrlost – Dreck, Staub, Spinnweben, Mäusescheiße, alles war leer, verlassen und ausgebrannt und stank nach Schimmel, Elend und Tod. In einer Ecke hing noch ein Stück Dach auf den Mauern. In einem Nebengebäude fand sie sogar einen schimmeligen Strohballen. Sie zerrte den Ballen unter das Dachstück und breitete das Stroh aus. Als sie Leonidas’ Körper von Ivy herunter und zu seinem Strohlager im Haus zerrte, musste sie ein wenig lachen.
»Das ist wahrscheinlich das bequemste Bett, in dem du jemals gelegen hast, stimmt’s, alter Spartaner?«, murmelte sie. »Für einen wie dich ist das doch der reinste Luxus.«
Sie lehnte Leonidas
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