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Halo - Tochter der Freiheit

Titel: Halo - Tochter der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zizou Corder
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eigenartig hell und dünn. »Was sollen wir bloß tun? Wenn wir kämpfen, werden wir alle sterben. Wenn wir nicht kämpfen, werden wir alle sterben. Und wenn wir kämpfen und sie sogar besiegen, dann kommen andere. Und töten uns. Verstehst du nicht? Spartaner verlieren nicht. Sklaven gewinnen nicht.«
    Er rang nach Luft.
    »Können wir deinen Vater nicht warnen?«, fragte Halo. Sie starrte auf die Schatten der Verfolger. War einer von ihnen Leonidas, dessen gütigen Hände ihre Wunde verbunden hatten?
    »Nein«, sagte Thanus. Er schüttelte den Kopf und hörte nicht mehr damit auf.
    »Vielleicht sollten wir schreien?«, fragte Halo.
    Thanus’ Gesicht wurde weiß. »Wenn wir schreien, dann kommen sie und schlachten meine Mutter und meine kleinen …«
    Der Knabe wandte sich ab und erbrach sich.
    Und in diesem Augenblick drang ein Laut vom Olivenhain herüber – ein markerschütternder spitzer Schrei. Nicht das durchdringende Schmettern einer Fanfare, nicht das kalte Klirren von Metall auf Metall oder das dumpfe Hauen eines Schwerts auf einen Lederschild, denn dies war nicht eine Schlacht zwischen Soldaten. Nur dieser schreckliche Schrei war zu hören, dann Rufen, Grunzen und das Stampfen von Füßen, die sich auf dem staubigen Pfad entfernten und in der Dunkelheit verschwanden.
    Halo war entsetzt – konnte aber auch nicht wegsehen. Sie beobachtete die Szene wie eine schreckliche Vorführung, die weit entfernt von ihr, für sie unveränderbar, unaufhaltbar, ablief. Zehn oder zwölf dunkle Schatten tauchten aus dem Schutz der Bäume auf und umzingelten die beiden Gestalten auf dem Pfad. Sie hörte Rufe, dann einen Schlag. Sie sah, wie einer der beiden aus dem Kreis ausbrach und sich hinkend in Richtung Haus schleppte. Vier Jäger lösten sich aus der Gruppe und folgten ihm. Sie sah ein Schwert im Mondlicht blitzen, und sie sah, wie die Gestalt wankte und fiel. Da löste sich die übrige Gruppe auf und zog sich wieder unter die Bäume zurück. Zurück blieben zwei zerschlagene Körper auf dem Boden.
    Von fern hörte Halo noch das Lachen in der stillen Nacht. Ihr wurde übel.
    Da entdeckte sie eine Gestalt, die reglos abseits stand und sich schwarz von der silbernen Erde abhob.
    Sie hörte Thanus weinen, und unten im Haus weinte Thalia,und dann weinten auch, eines nach dem anderen, die kleinen Kinder.
     
    Leonidas spuckte aus und rang nach Luft.
    Was war nur mit ihm los?
    Die anderen hatten es nicht bemerkt. Aber er wusste es.
    Die Kameraden waren so gefangen von ihrer ruhmreichen Jagd, von ihrer Beute, die sich ihnen perfekt präsentiert hatte, von ihrem Erfolg, als sie die Männer abgeschlachtet hatten. Aber er, Leonidas, wusste es.
    Dabei hatte er die Beute als Erster erspäht. Er hatte sich mit den anderen, seinen Waffenbrüdern, an die Beute herangeschlichen. Auch ihn hatte es erregt, nicht gesehen zu werden, auch er hatte sich vom eigenen Können, der eigenen List begeistern lassen. Er war bereit gewesen, aus der Deckung zu gehen und die Männer herauszufordern und Auge in Auge zu töten, wie man einen Feind tötete. Und die Heloten waren Feinde! Armselige Feinde, aber Feinde. Hatten sie nicht versucht, Sparta zur Zeit des großen Erdbebens zu zerstören, hatten sich erhoben und sich das Chaos zunutze machen wollen? Hegten sie nicht ständig Pläne, den Staat zu vernichten? Gab es nicht tausendfach mehr Heloten als Spartaner?
    Er würde sich jederzeit einem Feind stellen und ihn im ehrlichen Kampf besiegen.
    Und er hatte das Zeichen zum Angriff gegeben.
    Aber als dann die Knaben, geschmeidig und leise, einer hinter dem anderen wie eine Schlange, aus dem Hinterhalt stürmten, zwölf gegen zwei unbewaffnete Heloten, davon einer fast schon ein alter Mann, ihre Messer zückten und den Alten jagten und verspotteten – da konnte Leonidas sich nicht beteiligen.
    Er hatte noch nie jemanden getötet. Er schämte sich. Was war er für ein Spartaner? War er vielleicht doch ein Feigling?
    Er war der Anführer. Wenn er einen Menschen nicht töten konnte, wozu war er dann gut?
     
    Thanus, rasend vor Trauer, stürmte vom Dach und rannte in den Olivenhain hinaus zu seinem toten Vater. Leonidas stand direkt hinter ihm, das Messer gezückt. Seine Knaben, stolz und blutverschmiert, umringten ihn.
    »Da ist noch einer!«, rief ein junger Krieger. »Schnapp ihn dir, Leonidas!«
    Und Leonidas hob sein Messer. Auge in Auge, so wollte er töten.
    Aber hinter Thanus kam noch jemand – eine Frau rannte verzweifelt über das Feld.

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