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Halo - Tochter der Freiheit

Titel: Halo - Tochter der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zizou Corder
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war, hielt sie einen Augenblick inne und spähte vorsichtig über die Kante.
    Es war Thanus, der dort auf dem Dach im Mondlicht lag.
    Sie war spürbar erleichtert und zischte ihm leise zu, damit er auf sie aufmerksam wurde. Da drehte er sich nach ihr um. Geduckt huschte sie über das Dach zu ihm hinüber. »Was gibt’s?«, flüsterte Halo.
    »Nichts«, gab er zurück.
    Gemeinsam suchten sie die Landschaft ab, die sich im silbernen Mondlicht eigentümlich sanft vor ihnen ausbreitete. Wie schön und friedlich sie aussah. Im Westen erhob sich die mächtige Silhouette des Taygetos-Gebirges pechschwarz gegen den Himmel. Der Mond leuchtete so hell und stark, dass keine Sterne zu sehen waren. Irgendwo dort, rechts hinter dem Taygetos, waren das Meer und Zakynthos und das Dorf der Zentauren und die kleine weinberankte Hütte, in der ihre Familie schlief. Vielleicht wälzte sich Chariklo in diesem Augenblick im hellen Mondlicht von einer Seite auf die andere und sorgte sich um sie.
    Bin ich wirklich den ganzen Weg von jenseits dieses Gebirges gekommen? Sie konnte es kaum glauben. Sie dachte an die Mandelbäume, an den Bach mit den Fischen, den wilden Fenchel und die Rehe, an die freundlichen Pferde, die wilden Trauben und die Brombeeren. Sie dachte an die Steine, über die sie gewandert war, an die langen Tage ohne Wasser, an die arme tote Ziege, die Bären und das Wolfsgeheul, an den wilden Eber, die Schlangen, Adler und Skorpione. Sie dachte an die Knaben in ihren Umhängen, die ausgezogen waren, um Menschen zu töten.
    »Soll ich die Wache eine Weile übernehmen?«, murmelte sie. »Du könntest für morgen Kräfte sammeln, wenn du ein bisschen schläfst.«
    »Nein«, sagte Thanus. Seine Stimme klang gepresst. »Ich kann nicht schlafen. Aber es ist gut, noch einen Mann hierzuhaben. Mein Vater ist – also, ich hoffe nur, dass er nicht nachts im Mondlicht nach Hause wandern möchte. Er ist seinem Bruder entgegengegangen. Wir erwarten sie morgen zurück.«
    Halo lächelte, weil er von ihr als von noch einem Mann gesprochen hatte.
    »Ich bleibe trotzdem hier oben«, sagte sie. »Ich bin das Schlafen im Freien gewöhnt. Es ist nicht sehr kalt.«
    Sie schlich sich wieder nach unten und holte ihren Umhang. Dann legte sie sich auf dem Dach schlafen. Sie träumte davon, dass sie zwischen warmen braunen Körpern lag, und von Skorpionen, die über ihren Kopf krabbelten.
     
    Am nächsten Tag waren alle sehr angespannt. Thanus und Halo waren vor Sonnenaufgang wach, und Thalia hatte die kleine Kochstelle im Haus schon für das Opfer vorbereitet. Die Familie war arm und konnte nur ein paar Stücke Gerstenkuchen als Opfer darreichen, trotzdem führte Thanus ein richtiges Opferritual durch: Zuerst wusch er sich, um sich äußerlich und innerlich zu reinigen, dann entfachte er das Feuer und rief die Götter mit solcher Inbrunst und Leidenschaft an, dass Halo überzeugt war, dass sie ihn hören und ihm seine Bitte erfüllen würden. Sie betete lautlos mit, obwohl sie den Vater und den Onkel, für deren Sicherheit er betete, nicht kannte. Am Schluss verbrannte Thanus die kleinen Kuchenstücke für die Götter und entschuldigte sich bei ihnen für die Ärmlichkeit seiner Gaben.
    Die Kinder schliefen noch, und Thalia weckte sie auch nicht, obwohl sie gewöhnlich ab Tagesanbruch in den Feldern arbeiten mussten. Mit Thanus zusammen schichtete sie im Hof einen großen Holzhaufen auf, und sobald das Feuer richtig brannte, gaben sie Torf und Wasser darüber, damit es stärker rauchte.
    »Hoffentlich sehen sie es«, murmelte Thalia. »Hoffentlich verstehen sie es.«
    Halo war sich sicher, dass man bei dem schwarzen, stinkenden Rauch das Feuer bis Kleinasien sehen müsste.
    Später gingen Thalia und die Kinder in den Vorratsraum und begannen leise, die Traubenschalen aus den großen Krügen mit dem neuen Wein zu fischen. »Wir können genauso gut etwas Nützliches tun«, sagte sie.
    Thanus tigerte die meiste Zeit nervös hin und her. Halo half bei der Arbeit mit den Trauben, weil Thanus ihr immer noch nicht erlaubte, ihn bei der Wache abzulösen.
    Irgendwann explodiert er, dachte sie. Ich weiß, dass er sich um seine Familie sorgt, aber er verhält sich wie ein Narr.
    Am Nachmittag legte sich Thanus endlich schlafen.
    Thalia und die Kinder arbeiteten schweigend weiter im Inneren des Hauses. Thalia spann, und Halo wollte schon ihre Hilfe anbieten, als ihr gerade noch rechtzeitig einfiel, dass ein griechischer Knabe nicht spinnen konnte. Die Mutter

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