Halo - Tochter der Freiheit
Familie? Und Sattartes? Thanus, wir müssen sie warnen …«
»Ohne hinauszugehen?« Thanus lachte bitter.
»Sie warnen, aber wovor denn?«, fragte Halo, aber die beiden hörten sie gar nicht.
»Ich werde ein Feuer anzünden«, sagte Thalia hastig. »Draußen. Dann sehen sie den Rauch, und auch dein Vater wird ihn sehen …«
»Sie werden denken, dass du Laub verbrennst.«
»Wovon sprecht ihr überhaupt?«, rief Halo jetzt. Ihr war ganz schlecht vor Angst.
Jetzt antwortete Thanus ihr. »Wir haben doch vorhin über Krieg geredet. Über Sparta. Also dann erzähle ich dir mal etwas über dieses Land, in das du geraten bist.« Er holte tief und wütend Luft, als müsste er sich beherrschen, um nicht mit der Faust auf den Tisch zu schlagen. »Jedes Jahr, wirklich jedes Jahr, erklären sie uns den Krieg. Ganz offiziell. Und willst du auch wissen, warum? «
Halo sah ihn an.
»Damit sie uns töten können«, schnaubte er, »ohne Blutschuld auf sich zu laden. Es macht ihnen Spaß, uns umzubringen. Und wenn sie es als Krieg bezeichnen, können sie so viele von uns töten, wie sie wollen.«
Halo atmete langsam aus. Auf der Jagd, dachte sie. Auf der Jagd.
Thanus sah sie müde und verbittert an. »Das ist ein Teil ihrer Ausbildung, die sogenannte Krypteia. Sie macht aus den Knaben erwachsene Männer. Jedes Jahr schicken sie ihre besten Knaben aufs Land, wo sie sich selbst versorgen, sich abhärten und zu Männern werden sollen. Indem sie uns töten.«
Auf der Jagd.
»Und dieses Jahr«, flüsterte Thalia, »sind sie zu uns gekommen.«
ΚΑΠΙΤΕΛ 10
Halo kannte den Ausdruck, dass jemand das Blut in den Adern gefror. Aber sie hatte ihn noch nie am eigenen Leib gespürt.
Der Knabe mit den grünen Augen würde diese Menschen doch nicht töten wollen? Er hatte ihr das Leben gerettet. Warum sollte er im einen Augenblick ein Leben retten und im nächsten eines auslöschen?
Das konnte sie sich nicht vorstellen. Sie hatte in seine Augen gesehen.
Aber er befand sich mit den anderen Knaben Spartas in der Agoge , sie waren alle dem harten spartanischen Erziehungssystem unterworfen. Woher wollte sie wissen, wozu die Knaben fähig waren?
»Entfache jetzt kein Feuer«, sagte Thanus zu Thalia. »Wir dürfen sie nicht auf uns aufmerksam machen. Die Kinder müssen morgen im Haus bleiben und die nächsten Tage – oh, Zeus, wie lange wird das dauern? Oh, Zeus und Hera, wenn wir euch jemals mit einem Opfer erfreut haben, beschützt unser Haus, beschützt uns, beschützt uns …«
Schockiert sah Halo, wie dieser kräftige, plumpe Knabe in sich zusammenzusacken schien.
Aber dann straffte er wieder den Rücken und sagte mit fester Stimme: »Morgen früh werden wir Warnfeuer anzünden. Niemand darf das Haus verlassen, und wir werden Opfer bringen. Alles andere liegt in den Händen der Götter. Heute Nacht werden alle oben schlafen. Halosydnos, du schläfst bei den Kindern. Mutter, ich bleibe unten und halte Wache. Hab keine Angst. Und Halosydnos – wir stehen in deiner Schuld. Du hast uns über deinen Unfall berichtet, und dadurch sind wir gewarnt.«
Keiner fand richtig Schlaf in dieser Nacht. Thalia bestand darauf, die Matten der Kinder neben die ihre zu ziehen, wodurch die Kleinen wach wurden.
»Es ist nichts, meine Lieben. Schlaft ruhig weiter«, sagte sie mit so fröhlicher Stimme, dass die Kinder erst recht unruhig wurden. Der Kleinste fing an zu weinen, und Thalia schloss ihn allzu heftig in ihre Arme.
Halo lag auf dem harten Holzboden und starrte im Dunkeln zur Decke hinauf. Dann rollte sie sich auf den Bauch und zog sich ihren Umhang über ihren Kopf. »Athena, Göttin der Weisheit, Besitzerin meiner goldenen Eule, gib mir Klugheit«, flüsterte sie. Dann betete sie wie jeden Abend für ihre Zentaurenfamilie. Danach lag sie da und beobachtete, wie das Mondlicht durch das kleine, hohe Fenster schien, und hörte, wie die Schafe unten in ihrem Verschlag leise blökten. Die Kinder waren wieder eingeschlafen, und Thalia atmete leise und regelmäßig, als ob sie schliefe. Halo hoffte ebenfalls auf ein wenig Schlaf. Langsam fielen ihr die Augen zu.
Doch plötzlich hörte sie Schritte und war schlagartig wieder hellwach.
Schritte auf dem Dach! Leise schob sie ihren Umhang beiseite, nahm ihr Messer und schlich sich zur Tür. Der Riegel ließ sich leicht öffnen. Mit äußerster Vorsicht kroch sie die Holzstufen zum Dach empor, ihr Atem ging gleichmäßig, ihr Messer lag angriffsbereit in der Hand.
Als sie auf Dachhöhe
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