Halo - Tochter der Freiheit
»Thanus!«, schrie sie in herzzerreißender Angst, »Thanus!« Hinter ihr liefen zwei kleine Kinder und dahinter noch jemand, der versuchte, die heulenden Kinder einzufangen und zurückzuhalten.
»Was willst du von uns?«, schrie die Frau. »Was noch?« Ihre Stimme tönte über das Tal und kam als Echo von den Bergen zurück. »Was noch? Was denn noch?«
»Macht sie nieder!«, schrie einer der Spartaner, und die anderen stimmten ein: »Macht sie alle nieder!«
Leonidas stand im Mondlicht. Seine Augen waren auf die letzte Gestalt gerichtet, auf die Person mit den Kindern.
»Es macht Sparta keine Ehre, wenn Frauen und Kinder getötet werden«, rief er barsch. »Wir haben unsere Bluttat vollbracht. Wir sind hier fertig.«
Er grinste und Halo sah, wie im Mondlicht seine Zähne leuchteten, und sein Messer blitzte auf, als er es in die Luft reckte und sich seinen Knaben zuwandte.
»Lasst diese mickrigen Tiere ihre mickrige Arbeit tun«, schrie er, und die Knaben senkten ihre Waffen. Falls sie enttäuscht waren, zeigten sie es nicht, denn sie waren spartanische Krieger, und die gehorchten immer ihrem Führer.
Thalia stürzte zu Boden. Die Kinder rissen sich von Halo los und rannten zu ihrer Mutter. Thanus trat zu seinem Vater, der auf dem staubigen Weg lag. Er kniete nieder, barg den Kopf des Toten in seinen Armen und sprach leise ein Gebet.
Leonidas hatte das Geschehen stumm beobachtet. Nun zeigte er auf Halo und sagte zu seinen Waffenbrüdern: »Nur diesen da nehmt mit.« Dann wandte er sich um und ging davon.
ΚΑΠΙΤΕΛ 11
Halo wusste, dass Wegrennen keinen Zweck hatte. Zwölf spartanische Knaben – sie hatte keine Chance. Außerdem wollte sie sich nicht auf einen Kampf mit ihnen einlassen, denn sie war jetzt ein Junge. Sie durfte nicht enttarnt werden.
Also trat sie vor, nachdem Leonidas auf sie gezeigt hatte, streckte die Arme aus zum Zeichen, dass sie unbewaffnet war, und senkte den Kopf zum Zeichen, dass sie sich ergab – aber nur jetzt, sagte sie sich. In meinem Inneren habe ich mich nicht ergeben. Ihr schwindelte bei dem Gedanken, was sie nun erwarten würde …
Einer der Knaben fesselte ihr geschwind die Hände auf den Rücken und ließ ein Stück Strick herunterhängen, um sie daran abzuführen. Er stieß sie vorwärts zwischen die Bäume. Halo hatte nicht einmal Zeit, noch einmal zu Thalia, den Kindern oder Thanus zurückzuschauen Sie lief wie in einem Traum, fernab von der Wirklichkeit der silberschwarzen Nacht.
»Was hast du mit dem Kind vor, Leon?«, fragte einer der Knaben.
»Schau ihn an«, entgegnete Leonidas – Halo sah rasch zu ihm hoch –, »er ist kein Helote.«
Der Knabe, der sie gefesselt hatte, fasste sie am Kinn und hob ihr Gesicht ins Mondlicht. Als seine Hand ihre Haut berührte, verspannte sich jeder einzelne Muskel in ihrem Körper.
»Hände weg«, zischte sie und funkelte ihn trotzig an. Er hatte dunklen Flaum auf den Wangen und der Oberlippe.
»Oh-ho!«, johlte er höhnisch.
Aber Leonidas sah ihn an und sagte: »Lass ihn in Ruhe, Scitas«, worauf dieser von ihr abließ.
Die Knaben scharten sich um sie.
»Seht mal her!«, sagte einer und zeigte auf ihre Tätowierung.
»Was ist das?«, fragte ein anderer.
»Er ist ein Barbar!«, rief Scitas.
»Nein«, sagte Leonidas.
»Woher willst du das wissen?«, fragte ein anderer.
»Ich weiß es«, sagte Leonidas. »Wir nehmen ihn mit nach Sparta.«
Und so geschah es. Die Knaben gingen los. Sie bewegten sich schnell und lautlos durch die Dunkelheit. Halo wurde mitgezerrt und stolperte hinter ihnen her. Sie musste alle Kraft zusammennehmen, mit ihnen Schritt zu halten und nicht zu stürzen. Sie wollte sich vor ihnen keine Blöße geben. Mehrere Stunden lang wurde nicht mehr gesprochen. Dann gab Leonidas den Befehl anzuhalten, und auf einen Blick und ein Wort hin rollten sich alle in ihre Umhänge und schliefen ein.
Außer Leonidas. Er konnte nicht schlafen. Er saß da und starrte schweigend in die Dunkelheit.
Die Nacht war kalt und der Boden steinig. Halo kauerte sich zitternd in ihren Umhang. Sie hatten ihr auch die Füße gefesselt und das Ende des Stricks an eine Stechpalme gebunden. So lag sie mit dem Rücken auf Steinen da und fand einfach keine bequeme Schlafhaltung.
In der Ferne heulten die Wölfe.
Jetzt bin ich bei den Wölfen, dachte Halo schaudernd. Sie schloss die Augen und horchte in ihr Inneres. Nach den grauenvollen Geschehnissen der Nacht versuchte sie, sich zu beruhigen und wieder zu sich zu
Weitere Kostenlose Bücher