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Halo - Tochter der Freiheit

Titel: Halo - Tochter der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zizou Corder
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wieder zurück war. »Sie sind vollkommen überzeugt davon, dass nur sie ganz allein wissen, was gut ist für Griechenland. Zeus soll unser Zeuge sein, dass auch Sparta den Frieden will, aber so, wie die Dinge sich entwickeln …«
    An diesem Tag hielt Melesippos vor den Jungen nach dem Training eine Rede. »Die Zeit wird kommen«, verkündete er laut, »da auch ihr kämpfen werdet; da auch ihr eine Mauer aus Muskeln und Blut und Treue bilden und Seite an Seite für Sparta kämpfen werdet. Ihr werdet kämpfen für die Familie, für die Götter, für die Ahnen und für die Waffenbrüder neben euch.«
    Die Jungen standen noch strammer als zuvor und lächelten stolz. Die älteren, kriegserfahrenen Männer nickten anerkennend. Niemals würde das Heer Spartas untergehen, denn es würden immer junge Krieger nachwachsen, solange es die Agoge gab. Leonidas’ Gruppe war schon fast bereit, und nach ihr kamen die Fünfzehnjährigen, die Dreizehnjährigen, die Elfjährigen, die Neunjährigen …
    »Andere Städte«, fuhr Melesippos fort, »holen die Bauern von den Feldern und die Fischer von den Booten und die Schmiede von ihren Feuern, und das nennen sie dann ein Heer. Aber nur wir haben echte Soldaten. Nur Sparta erzieht und trainiert seine Knaben von Kindheit an zu Soldaten. Nur spartanische Krieger sind echte Krieger.«
    »Wir sind Krieger, du bist Abschaum!«, brüllten die Zehnjährigen, als Halo am nächsten Morgen auf den Platz kam, um sich einen weiteren Tag lang schlagen und misshandeln zu lassen. »Wir sind Sparta, du bist niemand!«
    Halo streckte sich, lockerte ihre Glieder und tat so, als hörte sie die Beleidigungen nicht. Sie folgte Leonidas’ Ratschlägen; inzwischen war sie recht gut darin, beim Boxen leichtfüßig zu tänzeln und den Schlägen geschickt auszuweichen. Die Zehnjährigen waren gemein, aber sie wurden auch zu Gehorsamkeit erzogen. Dafür gab es ein Wort, das Halo überhaupt erst hier gelernt hatte: oidos . Es bedeutete, dass man davon überzeugt war, dass ein anderer besser Bescheid wusste als man selbst. Alle hielten sich daran. Melesippos hatte ihnen erklärt, dass sie erst dann richtig frei werden, wenn sie den Gesetzen Spartas freiwillig absoluten Gehorsam leisteten. Er behauptete, diese freiwillige Entscheidung sei ein stärkeres Band zwischen ihnen als jeder Zwang. Und alle hatten genickt. Halo allerdings besaß keinerlei oidos . Im Gegenteil, obwohl sie noch ein Kind war, wusste sie besser Bescheid als all die Erwachsenen hier. Und sie fühlte sich Welten von ihnen entfernt.
    Vor allem wunderte sie sich darüber, warum die Spartaner so lebten. Warum sie ihre Nahrung im Stehen hinunterschlangen, warum sie sich wie Tiere überall in der Stadt zum Schlafen hinlegten, statt nach Hause zu gehen und sich bei ihren Familien auszuruhen. Manchmal wollte sie die Leute anschreien: »Ihr habt doch Familien! Warum erkennt ihr nicht, wie wertvoll sie sind? Ich habe nicht einmal eine Familie!«
    »Du bist nichts«, sagte Borgas. »Du weißt ja nicht einmal, aus welcher Stadt du stammst.«
    Also war man niemand, wenn man keine Familie und keine Heimatstadt hatte? Sie rieb sich die schmerzenden Glieder, als sie in der Nacht auf ihrem Strohhaufen lag. Mein Unglück verdanke ich zum größten Teil dem Umstand, dass ich meine Familie verloren habe. Vielleicht … vielleicht sollte ich erst einmal herausfinden, wer ich bin, vielleicht wendet sich dann mein Schicksal zum Guten. Aber wenigstens, dachte sie mit bitterem Lachen, wenigstens bin ich keine Spartanerin!
    Eines Morgens fiel das Training aus, denn die Stadt feierte ein Fest. Halo freute sich darauf. Die Jungen waren aufgeregt und nervös: Alle sollten zum Heiligtum der Artemis Orthia marschieren, wo Eltern und Priesterinnen auf sie warteten. Borgas erlaubte den Sklaven, als Zuschauer hinzugehen. »Das wird euch lehren zu erkennen, wer eure Herren sind!«, sagte er.
    Halo stellte sich zum Volk an den Straßenrand. Sie hatte keine Ahnung, was sie zu sehen bekommen würde – vielleicht eine Prozession? Neben ihr in der Menge stand ein groß gewachsener blonder Junge mit blasser Haut. Er mochte nicht viel älter sein als sie selbst, hatte weiches, gelocktes Haar, blaugraue Augen und einen verträumten Blick. Arme und Beine waren glatt und nicht mit Muskeln bepackt; er sah überhaupt nicht wie ein junger spartanischer Krieger aus. So einen Jungen hatte sie hier noch nie gesehen.
    Oben beim Tempel hatte man eine Holzstatue der Göttin Artemis ins Freie

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