Halo - Tochter der Freiheit
schnappte nach Luft. Ihre Nase hing ins Wasser. Es war, als könnte sie die grüne Nässe riechen.
Sie spitzte die Ohren.
Da hielten die Schritte plötzlich an, irgendwo über ihr. Männerstimmen brüllten sich etwas zu.
Vorsichtig hob sie den Kopf und sah direkt vor sich eine niedrige, dunkle Öffnung an der Uferböschung. Sie hoffte, dass es eine Höhle sein könnte, fast unsichtbar hinter den dicht von der Böschung herabhängenden Pflanzen mit ihrem kräftigen Frühlingslaub. Sie spähte hinein. Dort drinnen stand das Flusswasser tief und still.Eine Höhle!
»Dort unten!«, hörte sie oben jemanden brüllen.
Zum Überlegen blieb keine Zeit. Leise schob sie sich vorwärts, glitt unter die Wasseroberfläche und bewegte sich unhörbar auf die dunkle Öffnung zu. Geräuschlos schob sie den Pflanzenvorhang beiseite. Sie glitt in die Höhle, die Augen weit aufgerissen, den Mund fest geschlossen. Sie hielt den Atem an, unterdrückte ihre Furcht und schwamm in die Dunkelheit.
Schlammklumpen schlugen ihr ins Gesicht. Aber sie achtete nicht darauf.
Doch nun musste sie auftauchen und Luft holen.
Sie musste atmen!
Sie brach durch die Wasseroberfläche, warf den Kopf zurück und schnappte gierig nach Luft. Als sie wieder zu Atem gekommen war, tastete sie vorsichtig mit den Füßen und spürte festen Grund unter sich. Sie zitterte heftig – nicht nur vor Erleichterung, sondern auch vor Kälte. Sie war nicht einmal sicher gewesen, dass es hier drinnen überhaupt eine Wasseroberfläche gab. Wäre die Höhle vollkommen überflutet gewesen …
Doch die Erleichterung hielt nicht lange an. Sicher, sie konnte wieder atmen. Aber sonst hatte sie nichts gewonnen. Sie hatte sich vor den Schritten verstecken wollen, aber in der schützenden Dunkelheit gab es nicht die geringste Lichtquelle, die ihr hätte zeigen können, woher sie kam und in welche Richtung sie weitergehen sollte.
Zwar war sie jetzt für die Verfolger unsichtbar, aber sie saß fest, in einer vollkommen dunklen, mit eiskaltem Wasser gefüllten Höhle.
Verzweifelt, aber hartnäckig kämpfte sich Halo weiter voran, tastete suchend die Umgebung ab, fand aber nichts. Sie hatte entsetzliche Angst – Angst vor dem, was ihre Finger berühren würden, Angst, die Füße auf den schlammigen Boden zu setzen, Angst vor dem, was ihre Füße berühren würden – oder dass sie überhaupt nichts berühren würden, weil sich nichts mehr unter ihren Füßen befand, nur entsetzliche, endlose, dunkle Tiefe. Und doch wusste sie, dass sie weitermusste, denn wenn sie die Füße nicht bald auf festen Grund setzen und aus dem eiskalten Wasser entfliehen konnte, würde sie sterben.
Schon kroch ihr die Kälte bis in die Knochen. Ihre Arme zitterten.
Mach weiter. Nutze deine Furcht …
Doch sie war so müde. Anspannt und hektisch paddelte sie durch das Wasser voran und versuchte gleichzeitig, ihren Körper so weit wie möglich aus dem Wasser zu halten … Und was wäre, wenn sie mit den Füßen plötzlich in dicken Schlamm geriete, in dem es von Wasserschlangen wimmelte oder in dem verwesende Tiere lagen oder aus dem giftige, stinkende Gase aufstiegen … oder dunkle, schleimige Schlingpflanzen wie langfingrige Hände aus der schwarze Tiefe kämen und sich um ihre Beine wickeln und sie hinunterziehen würden … oder wenn sie in Treibsand geriete, der ihre Beine einsaugte, dann ihren Körper immer tiefer hinunterzog und sie schließlich verschluckte …
Sie vermutete zwar, dass unter ihren Füßen harter Fels war, aber inzwischen war sie so verängstigt, dass sie es nicht wagte, den Grund der Unterwasserhöhle mit den Füßen abzutasten.
Etwas glitt an ihren Beinen vorbei, und sie schrie auf. Ihre Stimme hallte zurück wie aus einem großen Raum.
Ah!
Endlich stießen ihre Füße auf festes Gestein. Sie schob sich weiter in diese Richtung. Hier wurde das Wasser flacher.
Sie zog sich auf etwas hinauf, wusste aber nicht, worauf sie nun kroch. Vielleicht eine unterirdische Böschung, ein Ufer? Vorsichtig streckte sie die Hände nach oben, schließlich stand sie auf, viel zu schnell, wie ihr sofort klar war, denn sie konnte sich den Kopf an einem Felsen oder an der Decke der Höhle anschlagen – aber nein: da war nichts. Die Höhle war jedenfalls hoch genug, um aufrecht darin zu stehen. Sie lauschte.
Es war nichts zu hören. Und nichts zu sehen. Sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand.
Und es war kalt.
Sie rief leise ihren Namen, um herauszufinden, wie groß die Höhle
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