Halo
zusammenzustellen: ein ärmelloses dunkelblaues Kleid mit hellen Knöpfen und rundem Kragen. Molly hätte es sicher stilvoll gefunden und «sehr Chanel». Aber alles andere war noch immer ein großes Fragezeichen.
«Kannst du dich bitte einfach entspannen?», sagte Xavier, als ich mir mit den Händen durchs Haar fuhr und mir zum zehnten Mal, seit wir das Haus verlassen hatten, das Kleid glatt strich. «Ich kann deinen Herzschlag fast bis hierher hören. Sie sind gute Menschen und Kirchgänger. Sie sind quasi verpflichtet, dich zu mögen. Und selbst falls sie das nicht tun sollten, was unmöglich ist, werden sie es dich nicht spüren lassen. Aber sie werden dich lieben – sie tun es bereits.»
«Wie meinst du das?»
«Ich habe ihnen so viel von dir erzählt, und sie brennen seit Ewigkeiten darauf, dich höchstpersönlich kennenzulernen», sagte Xavier. «Du kannst also aufhören, so zu tun, als würdest du dem Henker persönlich vorgestellt.»
«Du könntest ruhig ein bisschen Mitgefühl zeigen», sagte ich gereizt. «Ich mache mir so viele Gedanken. Manchmal bist du wirklich furchtbar.»
Xavier lachte los. «Hast du mich gerade ‹furchtbar› genannt?», fragte er.
«Und ob ich das habe. Es interessiert dich ja nicht einmal, dass ich nervös bin.»
«Natürlich interessiert es mich», sagte er geduldig. «Aber ich garantiere dir, dass es keinen Grund zur Sorge gibt. Meine Mutter ist jetzt schon dein größter Fan, und alle anderen können es kaum erwarten, dich kennenzulernen. Eine Weile haben sie schon vermutet, dass ich dich erfunden habe. Ich erzähle dir das nur, damit du dich besser fühlst, weil mir das nämlich nicht egal ist, und jetzt fordere ich, dass du deine Beleidigung zurücknimmst. Ich kann mit dem Stigma, furchtbar zu sein, nicht leben.»
«Ich nehme es zurück», sagte ich lächelnd. «Aber eine Pappnase bist du trotzdem.»
«Mein Selbstbewusststein bekommt heute ziemliche Risse», sagte er und schüttelte den Kopf. «Erst bin ich furchtbar, dann eine Pappnase … Ich schätze, das ergibt eine furchtbare Pappnase.»
«Ich mache mir einfach nur Gedanken.» Mein Lächeln verschwand. «Was, wenn sie mich mit Emily vergleichen? Was, wenn sie finden, dass ich nicht an sie herankomme?»
«Beth!» Xavier nahm mein Gesicht in seine Hände und zwang mich, ihn anzusehen. «Du bist unglaublich. Das wird ihnen sofort klar sein. Und davon abgesehen – meine Mutter mochte Emily nicht.»
«Warum nicht?»
«Sie war ihr zu impulsiv.»
«Inwiefern?», fragte ich verwirrt.
«Sie hatte ein paar Probleme», sagte Xavier. «Ihre Eltern waren geschieden, sie sah ihren Vater nur selten, und manchmal tat sie Dinge, ohne groß darüber nachzudenken. Ich habe Gott sei Dank immer ein Auge auf sie gehabt, aber es hat sie in meiner Familie nicht besonders beliebt gemacht.»
«Wenn du die Dinge ändern und sie zurückhaben könntest, würdest du es tun?», fragte ich.
«Emily ist gestorben», sagte Xavier. «Damit war unser gemeinsames Leben beendet. Dann kamst du. Unter anderen Umständen wäre ich vielleicht noch in sie verliebt, aber jetzt bin ich in dich verliebt. Und wenn sie heute wiederkäme, wäre sie immer noch mein ältester Freund, aber trotzdem wärest du meine Freundin.»
«Es tut mir leid, Xavier», sagte ich. «Manchmal habe ich einfach nur das Gefühl, dass du mit mir zusammen bist, weil du die verloren hast, für die du bestimmt warst.»
«Aber siehst du es denn nicht, Beth?», beharrte er. «Ich war nie dafür bestimmt, mit Emily zusammen zu sein. Es war mein Schicksal, sie zu lieben und zu verlieren. Du bist diejenige, die für mich bestimmt ist.»
«Ich glaube, ich verstehe:» Ich nahm seine Hand und drückte sie sanft. «Danke, dass du es mir erklärt hast. Ich weiß, ich klinge wie ein Baby.»
Xavier zwinkerte. «Ein ausgesprochen hinreißendes Baby.»
Xaviers gesamtes Haus strahlte Behaglichkeit aus. Es war ein großes, relativ neues Gebäude im klassischen Stil mit niedrigen Hecken und Säulen vor einer glänzenden Haustür. Innen war alles weiß gestrichen, und der Boden war mit Parkett ausgelegt. Der vordere Teil des Hauses mit dem vornehmen Salon war Besuchern vorbehalten, im offenen hinteren Teil, von dem aus man die Terrasse und den Pool überblickte, verbrachte hingegen die achtköpfige Familie den größten Teil ihrer Zeit. Tiefe Sofas mit kuscheligen Überwürfen standen einem Flachbildschirm an der Wand gegenüber. Auf dem Esstisch lag jede Menge Mädchen-Krimskrams,
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