Halo
wie er aufstand und die Balkontür schloss, bevor er sich zum Gehen wandte.
«Gute Nacht, Bethany», flüsterte die Stimme von Xavier Woods. «Träum süß.»
«Gute Nacht, Xavier», sagte ich verträumt, aber als ich die Augen öffnete, war mein Zimmer leer. Dann verschwammen das gedämpfte Licht und die Geräusche der See, während ich in einen tiefen und friedlichen Schlaf fiel.
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6 Französischunterricht
Jemand rief meinen Namen. Ich versuchte, die Stimme zu ignorieren, aber sie gab nicht auf, und ich war gezwungen, aus den warmen, dunklen Tiefen des Schlafes aufzusteigen.
«Wach auf, Schlafmütze!»
Ich öffnete die Augen. Die Morgensonne tauchte mein Zimmer in warmes, flüssiges Gold. Ich blinzelte, setzte mich auf und rieb mir den Schlaf aus den Augen. Ivy stand mit einer Tasse in der Hand am Fußende des Bettes.
«Probier mal. Es schmeckt fürchterlich, aber es macht dich wach.»
«Was ist das?»
«Kaffee – viele Menschen glauben, dass sie ohne ihn nicht durch den Tag kommen.»
Ich richtete mich auf und nahm einen Schluck von dem bitteren schwarzen Gebräu. Beinahe hätte ich es wieder ausgespuckt. Ich fragte mich, warum Menschen sogar Geld dafür bezahlten, aber es dauerte nicht lange, bis das Koffein in meinen Kreislauf drang, und ich musste zugeben, dass ich mich wacher fühlte.
«Wie spät ist es?», fragte ich.
«Spät genug zum Aufstehen.»
«Wo ist Gabriel?»
«Ich glaube, beim Joggen. Er war schon um fünf Uhr früh wach.»
«Ist alles in Ordnung mit ihm?», murmelte ich und schlug widerstrebend meine Bettdecke zur Seite. Ich klang wie ein echter Teenager.
Ich fuhr mir mit einem Kamm durch die Haare und band sie zu einem losen Zopf zusammen, wusch mir das Gesicht und ging nach unten in die Küche. Gabriel machte Frühstück. Nach dem Joggen hatte er geduscht und sich das nasse Haar aus der Stirn gekämmt, was ihm ein löwenartiges Aussehen gab. Er hatte sich nur ein Handtuch um die Hüfte gebunden, und sein sehniger Körper glänzte im Sonnenlicht. Seine Flügel waren zusammengefaltet, und man sah von ihnen nicht mehr als eine gekräuselte Linie zwischen den Schulterblättern. Er stand mit einem Pfannenwender aus Edelstahl in der Hand am Herd.
«Pfannkuchen oder Waffeln?», fragte er. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer den Raum betreten hatte.
«Eigentlich habe ich keinen großen Hunger», sagte ich entschuldigend. «Ich glaube, ich verzichte auf das Frühstück.»
«Niemand verlässt dieses Haus mit leerem Magen.» Er klang, als ließe er sich bei diesem Thema nicht hereinreden. «Also, was willst du?»
«Es ist zu früh, Gabriel! Zwing mich nicht, dann wird mir schlecht!» Ich klang wie ein Kind, das sich vor Rosenkohl drücken wollte.
Gabriel wirkte beleidigt. «Willst du sagen, dass mein Essen krank macht?»
Ups. Ich versuchte meinen Fehler wiedergutzumachen. «Natürlich nicht. Ich bin nur …»
Mein Bruder legte mir die Hände auf die Schultern und sah mir in die Augen. «Bethany», sagte er. «Weißt du, was passiert, wenn der menschliche Körper nicht ausreichend auftankt?»
Ich schüttelte genervt den Kopf. Ich wusste, er würde mir gleich Fakten auftischen, denen ich nichts entgegenzusetzen hatte.
«Er funktioniert dann nicht richtig. Du kannst dich nicht konzentrieren, und dir kann sogar schwindelig werden.» Er machte eine Pause, um seinen Worten mehr Wirkung zu verleihen. «Ich glaube nicht, dass du an deinem zweiten Schultag ohnmächtig werden möchtest, oder?»
Seine Worte hatten den gewünschten Effekt. Ich ließ mich abrupt auf einen Stuhl fallen, während ich mir vorstellte, wie ich zusammenbrach und ein Heer besorgter Gesichter auf mich hinabblickte. Vielleicht war sogar das Gesicht von Xavier Woods darunter, der auf einmal nichts mehr mit mir zu tun haben wollte.
«Ich nehme Pfannkuchen», sagte ich düster, und Gabriel wendete sich mit zufriedenem Gesicht wieder dem Herd zu.
Das Frühstück wurde von dem Geräusch der Türklingel unterbrochen. Ich fragte mich, wer zu einer so ungewöhnlichen Zeit klingelte. Wir hatten uns bemüht, uns von den Nachbarn fernzuhalten, und hatten sämtliche Annäherungsversuche im Keim erstickt. Für die Einheimischen mussten wir schrecklich abweisend wirken.
Ivy und ich sahen Gabriel erwartungsvoll an. Er konnte die Gedanken von Menschen erspüren, die ihn umgaben, eine Gabe, die in brenzligen Situationen sehr hilfreich sein konnte. Ivys himmlische Gabe waren ihre heilenden
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