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Halo

Halo

Titel: Halo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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Hände. Was meine Gabe war, musste ich erst noch herausfinden – vermutlich trat sie zutage, wenn die Zeit dafür reif war.
    «Wer ist es?», fragte Ivy lautlos.
    «Es ist die Frau von nebenan», sagte Gabriel. «Ignoriert sie, dann geht sie vielleicht wieder.»
    Wir blieben schweigend sitzen. Aber unsere Nachbarin war nicht der Typ, der sich leicht abwimmeln ließ. Gabriel verließ die Küche und kam in frischgewaschener Jeans und T-Shirt zurück. Ein paar Minuten später hörten wir zu unserem Erstaunen das Klicken des Gartentores, und dann war unsere Nachbarin auch schon vor unserem Fenster und winkte uns wild zu. Ich war empört über diese Störung, aber meine Geschwister bewahrten die Fassung.
    Gabriel öffnete die Tür und kam, gefolgt von einer Mittfünfzigerin mit platinblondem Haar und gebräuntem Gesicht, zurück. Sie war mit goldenem Schmuck behängt, trug einen grellen Lippenstift und einen Trainingsanzug aus Ballonseide. Unter dem Arm hielt sie eine große Papiertüte. Als sie uns alle drei zusammen sah, wirkte sie für einen Moment lang wie betäubt. Ich konnte es ihr nicht verübeln, unser Anblick musste irritierend sein.
    «Hallo zusammen», sagte sie fröhlich, lehnte sich über den Tisch und schüttelte uns reihum die Hand. «Ich würde an Ihrer Stelle mal die Türklingel überprüfen lassen – sie scheint nicht zu funktionieren. Ich bin Dolores Henderson, ich wohne nebenan.»
    Gabriel übernahm es, uns vorzustellen, und Ivy, stets die perfekte Gastgeberin, bot ihr eine Tasse Tee oder Kaffee an und stellte einen Teller Muffins auf den Tisch. Ich sah, dass Mrs. Henderson Gabriel genauso anstarrte wie die Mädchen in der Schule.
    «Oh, nein, vielen Dank», antwortete sie auf die Einladung, etwas zu essen. «Ich muss auf meine Linie achten. Jetzt, wo Sie sich eingelebt haben, wollte ich nur mal kurz vorbeischauen und hallo sagen.» Sie stellte die Papiertüte auf der Arbeitsplatte ab. «Ich dachte, Sie würden sich vielleicht über selbstgemachte Marmelade freuen. Ich habe Aprikose, Feige und Erdbeere mitgebracht, ich wusste nicht, was Sie mögen.»
    «Das ist sehr nett von Ihnen, Mrs. Henderson.» Ivy war ausgesprochen höflich, aber ich konnte sehen, dass Gabriel es vor Ungeduld fast nicht aushielt.
    «Ach, nennen Sie mich doch Dolly», sagte sie. «Sie werden feststellen, dass wir in der Gegend hier alle so sind – gute Nachbarn.»
    «Das ist schön zu hören», sagte Ivy.
    Ich fragte mich, wie sie es schaffte, für jede Situation die richtige Antwort parat zu haben. Ich hingegen hatte nach wenigen Momenten sogar schon den Namen der Frau wieder vergessen.
    «Sie sind der neue Musiklehrer an der Bryce Hamilton Highschool, nicht wahr?», erkundigte sich Mrs. Henderson. «Ich habe eine sehr musikalische Nichte, die gern Geige lernen würde. Das ist doch Ihr Instrument?»
    «Eins davon», antwortete Gabriel distanziert.
    «Gabriel spielt mehrere Instrumente», sagte Ivy und warf ihm einen verzweifelten Blick zu.
    «Mehrere! Oh, Sie müssen unglaublich talentiert sein!», rief Mrs. Hamilton. «Ich höre Sie oft am Abend spielen, wenn ich auf der Veranda bin. Seid ihr zwei Mädchen auch musikalisch? Es ist ja so reizend von Ihnen als Bruder, dass Sie sich um Ihre Schwestern kümmern, solange Ihre Eltern weg sind.»
    Ivy seufzte. Die Neuigkeiten über uns schienen sich wie ein Lauffeuer in der Stadt verbreitet zu haben.
    «Werden Ihre Eltern bald zu Ihnen stoßen?», fragte Mrs. Henderson und blickte sich neugierig um, als ob sie erwartete, dass unsere Eltern aus dem Schrank stürzen oder von der Decke fallen würden.
    «Wir hoffen, dass wir sie demnächst wiedersehen», sagte Gabriel. Sein Blick wanderte zur Uhr.
    Dolly wartete gespannt darauf, dass Gabriel seine Antwort ausführte, und als er es nicht tat, schnitt sie ein neues Thema an. «Kennen Sie schon jemanden in der Stadt?» Ich stellte amüsiert fest, dass Gabriel immer verschlossener wurde, je mehr sie versuchte, Informationen aus ihm herauszupressen.
    «Wir hatten noch nicht viel Zeit für Bekanntschaften», sagte Ivy. «Wir hatten viel zu tun.»
    «Keine Zeit für Bekanntschaften!», rief Mrs. Henderson. «Gutaussehende junge Leute wie Sie! Dagegen müssen wir etwas unternehmen. Es gibt ein paar sehr hippe Clubs in der Stadt, die muss ich Ihnen unbedingt zeigen.»
    «Ich kann es kaum erwarten», sagte Gabriel tonlos.
    «Mrs. Henderson …», begann Ivy, der klar war, dass das Gespräch nicht so bald ein Ende finden

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