Halo
absolut ungefährlich, da Molly nur ein paar Straßen entfernt wohnte. Dafür nahm ich Gabriels Angebot, mich abzuholen, an und willigte ein, ihn anzurufen, wenn ich nach Hause wollte.
Ich verspürte leises Vergnügen, als ich mich an diesem Abend auf den Weg zu Molly machte. Der Winter näherte sich dem Ende, aber der Wind, der mir durch das Kleid fuhr, war noch immer kalt. Ich atmete tief den frischen Geruch des Meeres ein, der sich mit dem Duft der spröden immergrünen Pflanzen vermischte. Ich fühlte mich privilegiert, weil ich hier auf der Erde herumspazierte und ein atmendes, fühlendes Wesen war. Es war so viel aufregender, als das Leben von einer anderen Dimension aus zu beobachten. Vom Himmel auf das wimmelnde Leben hier unten zu schauen war, als sähe man ein Theaterstück. Selber auf der Bühne zu stehen mochte vielleicht gefährlicher sein, war dafür aber auch viel spannender.
Meine Stimmung schlug um, als ich in der Sycamore Grove ankam. Ich blickte die Fassade von Hausnummer acht hinauf und dachte zuerst, dass ich mir die Adresse nicht richtig gemerkt hatte. Die Haustür stand weit offen, und jedes Licht im Haus schien angeschaltet zu sein. Musik dröhnte aus den Zimmern, die nach vorne herausgingen, und knapp bekleidete Teenager spazierten über die Veranda. Hier konnte ich unmöglich richtig sein. Ich überprüfte noch einmal die Adresse, die Molly selbst auf ein Stück Papier geschrieben hatte – ich hatte mich nicht geirrt. Dann erkannte ich einige Gesichter aus der Schule wieder, und manche von ihnen winkten mir zu. Ich hastete die Stufen des quadratischen Gebäudes hinauf, wobei ich fast gegen einen Jungen mit freiem Oberkörper stieß, der sich von der Veranda herunter übergab.
Ich überlegte, ob ich kehrtmachen und nach Hause zurückgehen sollte. Zu Ivy und Gabriel konnte ich sagen, dass ich plötzlich Kopfschmerzen bekommen hatte. Ich wusste, dass sie mir nie erlaubt hätten, hierherzukommen, wenn ihnen klar gewesen wäre, wie Mollys «Mädchen»-Abende wirklich aussahen. Aber meine Neugierde überwog, und ich beschloss, kurz hineinzugehen, Molly zu begrüßen und mich dann schnell wieder zu verabschieden.
Im Hausflur herrschte dichtes Gedränge, und es stank durchdringend nach Zigaretten und Parfum. Die Musik war so laut, dass man sich gegenseitig ins Ohr schreien musste, um gehört zu werden. Durch den vibrierenden Fußboden und die herumtaumelnden Tänzer kam es mir so vor, als wäre ich mitten in einem Erdbeben gelandet. Der durchdringende Bass war so laut, dass mir fast das Trommelfell platzte und ich ständig zusammenzuckte. Ich spürte heißen Atem an meinen Wangen, den Geruch von Bier und Galle in der Luft. Die ganze Situation war so schmerzhaft überwältigend, dass ich beinahe das Gleichgewicht verlor. Aber dies war das Leben der Menschen, sagte ich mir selbst, und ich war auserwählt, es aus erster Hand zu erleben, auch wenn ich dadurch fast ohnmächtig wurde. Ich atmete tief ein und setzte meinen Weg fort.
In jeder Ecke und jeder Nische standen junge Leute, manche rauchten, manche tranken, und wieder andere fielen übereinander her. Ich drängte mich durch die Menge und beobachtete fasziniert eine Gruppe, die etwas spielte, was, wie ich hörte, Schatzsuche hieß. Die Mädchen standen dabei in einer Reihe, und die Jungen zielten ihnen aus nächster Entfernung mit Marshmallows auf die Dekolletés. Wenn sie getroffen hatten, mussten sie die Marshmallows zurückholen, indem sie nur ihren Mund benutzten. Die Mädchen lachten und kreischten, als die Jungen ihre Köpfe zwischen ihren Brüsten vergruben.
Mollys Eltern waren nirgendwo zu sehen. Vielleicht waren sie übers Wochenende weggefahren. Ich fragte mich, wie sie wohl reagieren würden, wenn sie ihr Haus in diesem Zustand der Verwüstung sähen. Im hinteren Wohnzimmer lagen betrunkene Pärchen ineinander verschlungen auf den braunen Ledersofas. Der Boden war mit leeren Bierflaschen übersät, und die Chips und M & Ms, die Molly in Glasschüsseln gefüllt hatte, lagen auf dem Teppich verteilt. Ich erkannte Leah Green, eins der Mädchen aus Mollys Clique, und drängte mich zu ihr. Sie stand an der Glastür, die zu einer großen Terrasse und einem Pool führte.
«Beth! Du hast es geschafft!», schrie sie in dem Versuch, die Musik zu übertönen. «Tolle Party!»
«Hast du Molly gesehen?», brüllte ich zurück.
«Im Whirlpool.»
Ich löste mich aus dem Griff eines Jungen, der versuchte, mich in das Gewühl der Tänzer zu
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