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Halo

Halo

Titel: Halo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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und elegant wie bei einem jungen Baum.
    «Wir treffen uns oben», sagte sie aufgeregt wie ein Kind. Sie schloss kurz die Augen, atmete tief ein und rannte dann so eilig und behände durch die Bäume, dass ihre Füße kaum den Boden berührten. Sie wurde immer schneller, bis wir sie nur noch verschwommen wahrnahmen. Dann stieg sie auf einmal in die Luft auf. Es sah atemberaubend artistisch aus – Ivy wirkte graziös wie ein Schwan, der durch die Lüfte flog. Ihre Flügel, schmal, aber kräftig, zerschnitten das weite T-Shirt, das sie trug, und ragten in Richtung Himmel wie lebende Wesen. Diese Flügel, die so fest wie Stein aussahen, wenn sie nicht bewegt wurden, schimmerten im vollen Flug wie Satin.
    Ich begann zu laufen und fühlte, wie meine eigenen Flügel zu pulsieren begannen und sich ihren Weg durch den Käfig aus Kleidern bahnten. Als sie ausgebreitet waren, schlugen sie immer schneller, und auch ich wurde in die Luft gehoben und gesellte mich zu Ivy. Wir flogen eine Weile im Gleichflug, glitten langsam aufwärts, rauschten plötzlich wieder herunter und landeten schließlich mit den Füßen auf dem Ast eines nahen Baumes. Von dort aus sahen wir mit strahlenden Gesichtern zu Gabriel hinunter. Ivy beugte sich vor und ließ sich selbst vom Baum fallen. Die Spannbreite ihrer Flügel bremste ihren Sturz, und sie schoss mit einem Juchzen wieder nach oben.
    «Worauf wartest du?», rief sie Gabriel zu, bevor sie in einer Wolke verschwand.
    Gabriel, der niemals etwas übereilt tat, legte systematisch eine Schicht nach der anderen ab und warf seine Schuhe zur Seite. Er zog sich sein T-Shirt über den Kopf, und wir sahen zu, wie sich seine Flügel entfalteten, bis der elegante Musiklehrer verschwunden war und Gabriel wie der majestätische himmlische Krieger aussah, als der er erschaffen war. Dies war der Engel, der vor Ewigkeiten eine Stadt in Staub und Asche verwandelt hatte. Sein ganzer Körper glänzte wie poliertes Kupfer. Sogar wenn er flog, hatte er einen anderen Stil als wir, vollkommen ruhig, strukturierter und meditativer.
    Über den Baumspitzen war ich vom Nebel und den Wolken eingehüllt. Wassertropfen setzten sich auf meinem Rücken fest, und ich nahm ihre Kälte wie ein Beißen war. Meine Flügel schlugen heftig und trugen mich höher. Ich ließ alle Gedanken und Sorgen fallen und drehte und wendete meinen Körper, umkreiste die Bäume. Ich fühlte, wie sich die Energie Bahn brach, die so lange aufgestaut gewesen war. Ich sah Gabriel mitten in der Luft anhalten, um sich zu vergewissern, dass ich nicht die Kontrolle verloren hatte. Ivy erblickte ich nur ab und zu wie einen blassen Schein durch den Nebel hindurch.
    Die meiste Zeit über beschränkte sich unsere Kommunikation auf ein Minimum. Dies war unsere ganz persönliche Zeit, in der wir uns wieder vollkommen fühlten und die Freiheit umarmten, die es nur im Königreich des Himmels gab. Das Einssein, das wir verspürten, war mit Worten nicht auszudrücken. Unsere Menschlichkeit fiel von uns ab, als wir unser wahres Selbst wiederfanden.
    Lange flogen wir so, bis Gabriel ein melodisches Summen anstimmte, das wie eine Oboe klang, und wir wussten, dass dies das Signal war herunterzukommen.
    Als wir in den Jeep stiegen, glaubte ich, dass ich unmöglich würde schlafen können, wenn wir nach Hause kamen. Ich war zu sehr in Hochstimmung und war sicher, dass es Stunden dauern würde, bis ich wieder herunterkam. Aber ich irrte mich. Die Autofahrt auf der kurvigen Straße zurück war so eintönig, dass ich zusammengerollt wie eine Katze auf dem Rücksitz einschlief, lange bevor Haus Byron in Sicht kam.

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    17 Die Ruhe vor dem Sturm
    Meine Beziehung zu Xavier schien nach dem Abendessen mit meiner Familie nur noch enger zu werden. Endlich durften wir ohne Angst vor Strafe unsere Gefühle zeigen. Wir begannen, das Gleiche zu denken und uns synchron zu bewegen, wie ein Wesen mit zwei Körpern. Obwohl wir bewusst versuchten, nicht den Kontakt zu allen anderen um uns herum zu verlieren, konnten wir manchmal einfach nicht anders. Wir legten sogar bestimmte Zeiten fest, die wir mit anderen verbringen wollten, aber wenn es so weit war, schienen die Minuten dahinzukriechen, und die Situation kam uns so künstlich herbeigeführt vor, dass wir innerhalb von einer Stunde zwangsläufig wieder aufeinander zutrieben.
    Während der Mittagspause saßen Xavier und ich gewöhnlich allein an einem Tisch im hinteren Teil der Cafeteria. Ab und zu kamen Leute

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