Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan
Vorratskammertür. Ich teilte seine Angst. Die Küche schien in Blut zu schwimmen. Konnte irgendjemand einen solchen Blutverlust überleben?
Obwohl ich die Sanitäter mit Fragen bestürmte, wurde ich einfach ignoriert. Nachdem sie eine Weile hektisch mit Schläuchen und Verbandsmaterial hantiert hatten, schnallten sie Pete auf eine Pritsche, legten diese auf eine Rolltrage und schafften ihn in den Krankenwagen.
Zwei Uniformierte der Polizei der Ilse of Palms erschienen und stellten jede Menge Fragen. Laut ihren Namensschildern hießen sie Caper und Johnson. Irgendwann fragte Caper mich nach dem Bluterguss an meinem Ellbogen. Ich berichtete ihm von dem Flaschenwurf vom vergangenen Donnerstag. Caper notierte sich den Vorfall.
Ryan sagte den Polizisten, er sei ein Kollege, zeigte seine Marke und versuchte, die Befragung abzuwehren. Caper und Johnson meinten, sie verstünden seine Einwände, aber sie müssten einen Bericht schreiben.
In kurzen Worten erklärte ich, was Pete in Charleston tat. Caper wollte von mir wissen, ob ich eine Vorstellung hätte, wer auf ihn geschossen haben könnte. Ich schlug vor, sie sollten Herron und das Personal der Ambulanz befragen. Capers Miene deutete darauf hin, dass er das wohl kaum tun würde.
»Wahrscheinlich ein dummer Streich bei einer Strandparty«, sagte Johnson. »Irgendwelche blöden Jungs klauen Daddys Waffe, saufen sich zu, fangen an, einfach in die Luft zu ballern. So was passiert an jedem langen Wochenende.«
»Wird auch jedes lange Wochenende jemand angeschossen?«, fragte Ryan.
Ich wusste natürlich, dass die Erklärung der Beamten Blödsinn war, aber ich war nicht in der Verfassung zu widersprechen. Ich wollte so schnell wie möglich hinter dem Krankenwagen her.
Eine Stunde nach dem Schuss betraten Ryan und ich den Wartebereich der Notaufnahme des MUSC-Krankenhauses. Diesmal waren wir von der Ashley Street her ins Gebäude gekommen. Der Seite der Lebenden. Ich hoffte, dass Pete auch wieder auf dieser Seite herauskommen würde.
Eine Stunde schleppte sich vorüber. Noch eine. Pete war im OP. Mehr wollte man mir nicht sagen. Er war im OP.
In der Notaufnahme herrschte Chaos, der volle Ansturm eines amerikanischen Feiertags trieb das Personal bis an seine Leistungsgrenze. Eine sechsköpfige Familie, die bei der Explosion eines Grills starke Verbrennungen erlitten hatte. Ein Kind, das man aus einem privaten Swimmingpool gezogen hatte. Ein Betrunkener, der unter ein Pferd geraten war. Eine Frau, die von ihrem Mann geschlagen worden war. Ein Mann, der von seiner Geliebten angeschossen worden war. Drogenüberdosen. Dehydrierungen. Sonnenbrände. Lebensmittelvergiftungen. Es war eine Erleichterung, als man uns in den Warteraum der chirurgischen Abteilung führte.
Die dritte Stunde brach eben an, als ein Arzt erschien, das Gesicht müde, die Chirurgenkluft blutbespritzt. Mein Herz machte einen Satz.
Ich versuchte, die Miene des Arztes zu interpretieren, konnte es aber nicht.
Ryan nahm meine Hand. Wir standen beide auf.
»Dr. Brennan?«
Ich nickte nur, weil ich meiner Stimme nicht traute.
»Mr. Peterson hat den Operationssaal verlassen.«
»Wie geht es ihm?«
»Ich habe die Kugel und Splitter entfernt. Sein rechter Lungenflügel ist verletzt.«
»Sagen Sie mir die Wahrheit.«
»Er hat sehr viel Blut verloren. Die nächsten vierundzwanzig Stunden sind kritisch.«
»Kann ich ihn sehen?«
»Er wurde auf die Intensivstation verlegt. Eine Schwester wird Sie hinbringen.«
Die Intensivstation bildete einen starken Kontrast zu dem wüsten Durcheinander unten. Das Licht war gedämpft, die einzigen Geräusche das gelegentliche Quietschen einer Sohle oder das gedämpfte Murmeln einer entfernten Stimme.
Ryan und ich stiegen aus dem Auszug und folgten der Schwester zu einem rechteckigen Komplex aus vier gläsernen Kabinen. Eine Schwester saß in der Mitte und überwachte die Patienten in den Betten.
An diesem Abend lagen drei Patienten in dem Komplex. Pete war einer von ihnen.
Hatte schon der Anblick von Emma in der Notaufnahme mich getroffen, so verblasste dies im Vergleich zu dem Schock, der mich traf, als ich Pete in seinem postoperativen Zustand sah. Trotz seiner eins achtzig, den kräftigen Schultern und seiner schier grenzenlosen Energie, lag der lettische Weise aschfahl und eingesunken in seinem Bett. Verletzlich.
Schläuche steckten ihm in Nase und Mund. Ein anderer in seiner Brust. Ein vierter in seinem Arm. Alle waren sie mit Klebestreifen befestigt. An einem
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