Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan
taufte ihr Etablissement zu Ehren des Wracks.
Lehn dich einfach zurück, und du hörst eine Geschichte …
Das war 1989. Das Wrack ist noch immer da, und auch »Das Wrack« ist noch immer da, und seine Besitzer verweigern sich weiterhin jeder Art von Werbung oder einem Restaurantschild.
Betonböden. Deckenventilatoren. Veranden mit Fliegengittern. Eine Kühlbox voller Bier, in der man sich, natürlich dem Ehrenkodex entsprechend, selbst bedient, sollte man auf einen Tisch warten müssen. Das Konzept funktioniert, der Laden ist immer voll.
Um halb fünf am Nachmittag war es allerdings untypisch ruhig. Offiziell wurde zwar erst ab halb sechs bedient, aber man führte uns sofort zu einem Tisch. Na und? Das Wrack ist eben so ein Laden.
Das Bestellsystem ist so simpel wie die Speisekarte. Mit der mitgelieferten Kreide umringte Pete die Shrimps, die Gumboschotensuppe und den Zitronenkuchen und kreuzte an, dass er Portionen der Richard-Größe wolle. Ich entschied mich für Austern der Charlene-Größe. Diet Coke für mich. Budweiser für Pete.
So speist man in Dixie.
»Lass mich raten«, sagte Pete, als die Drinks auf dem Tisch standen. »Der Anruf kam von einem Journalisten.«
»Dieselbe Ratte, die auf Dewees herumgeschlichen ist.«
»Darf der Kerl überhaupt als Polizeireporter arbeiten?«
»Sehe ich aus wie der Berufsberater des Scheißkerls?« Ich war noch immer so wütend, dass es ziemlich schrill herauskam. »Aber er hat viel mehr Informationen, als er haben dürfte.«
»Dann muss er einen Informanten haben.«
»Ach ne? Meinst du wirklich?«
»Schon gut.« Pete trank einen Schluck Bier und lehnte sich auf eine Art zurück, die andeutete, dass die Unterhaltung beendet sei, bis ich mich wieder abgekühlt hatte.
Durch das Fliegengitter sah ich Möwen über Fischkuttern im Hafen kreisen. Ihre fröhliches, hoffnungsvolles Flattern und Segeln war irgendwie beruhigend.
»Tut mir Leid«, sagte ich, als unser Essen kam. »Ich ärgere mich ja nicht über dich.«
»Kein Problem.« Pete deutete mit einem Shrimp auf mich. »Viele Reporter hören den Polizeifunk ab.«
»Daran habe ich auch schon gedacht. Vielleicht hat Winborne den Funkverkehr abgehört, als es um die Entdeckung der Leiche ging, aber von der Identifikation kann er so unmöglich erfahren haben.«
»Ein Insider im Büro des Coroners oder des Sheriffs.«
»Vielleicht.«
»Oder unter dem Personal der Leichenhalle?«
»Möglich ist es.«
»Außer.« Pete ließ das Wort im Raum hängen.
Ein Stück Maisfladen blieb auf halbem Weg zu meinem Mund stehen. »Außer was?«
»Was ist mit deiner Freundin Emma? Hat sie was laufen, von dem du nichts weißt?«
Ich dachte darüber nach. Mir fiel ein, dass Emma Winborne verteidigt hatte, an ihre Argumente für seine Anwesenheit auf Dewees.
Ich sagte nichts. Pete hatte einen wunden Punkt getroffen.
Was war mit Emma?
Wir aßen und redeten über andere Dinge. Katy. Die Hüftoperation von Petes Mutter. Meine Familie. Einen Ausflug nach Kiawah, den wir vor zwanzig Jahren gemacht hatten. Im Nu war es Viertel vor sechs.
Ooookay.
Pete bestand darauf, die Rechnung zu übernehmen. Er zahlte bar. Keine Karten im alten Wrack.
»Willst du mir helfen, Cruikshanks Akten durchzusehen?«, fragte Pete, als er auf die Einfahrt des Sea for Miles fuhr.
»Das würde ich sehr gern, aber leider ist es höchste Zeit für die restlichen Prüfungsaufsätze.«
»Hat das nicht noch einen Tag Zeit?«
»Morgen ist der letzte Termin für die Notenabgabe, ich muss wenigstens einen vorläufigen Bericht über die Dewees-Ausgrabung für den staatlichen Archäologen in Columbia schreiben, und wer weiß, was morgen noch so alles kommt.«
»Sieht so aus, als wäre ich mal wieder auf mich allein gestellt.« Trauriges Pete-Gesicht.
Ich lächelte und boxte ihm auf die Schulter. »Probier’s mal mit ’nem Rettungsanker. Ruf deinen Kumpel Rejewski an.«
Ich ging in mein Zimmer und wählte Emmas Nummer. Ihre Maschine antwortete. Ich hinterließ eine Nachricht.
Um acht war ich mit dem letzten Aufsatz fertig und schickte die Liste mit den Benotungen per E-Mail an die Fakultätssekretärin der UNCC. Sie hatte versprochen, die Liste an die Registratur weiterzuleiten.
Wieder versuchte ich es bei Emma. Wieder nur der Anrufbeantworter. Ich legte auf.
Um zehn hatte ich einen kurzen Bericht über die Sewee-Begräbnisstätte auf Dewees verfasst, wozu auch meine Einschätzung bezüglich ihres Werts als kulturelles Erbe gehörte. Ich e-mailte das
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